EM-Vielseitigkeit: Michael Jung führt, Deutschland Platz zwei nach Dressur

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HARAS DU PIN – FEI Eventing European Championship 2023

Michael Jung und Chipmunk führten nach der Dressur bei der Vielseitigkeits-EM 2023 (© sportfotos-lafrentz.de)

Gute Ausgangslage bei der EM-Vielseitigkeit in Haras du Pin: Michael Jung geht morgen als Führender ins Gelände. Das deutsche Team rangiert nach der Dressur an zweiter Stelle. Vorne liegen die Briten, deren Übermacht beeindruckt.

Michael Jung und Chipmunk gelang ein perfekter Einstieg in die Unternehmung EM-Vielseitigkeit. 19,4 Strafpunkte, 1,9 weniger als die Britin Rosalind Canter auf Platz zwei. Jungs Ritt sicherte der deutschen Equipe den zweiten Platz nach der Dressur (76,3). Das Team aus Großbritannien liegt mit recht deutlichem Abstand in Führung (67,1).

EM-Vielseitigkeit: Michael Jung mit Spitzendressur

„Die Losgelassenheit“, sagte der Olympiasieger, sei heute das Highlight seiner Dressur gewesen. „Und die gesamte Galopptour“. Nur der Schritt, der sei schon mal besser gewesen, gab sich Michael Jung selbstkritisch. In der Tat setzte der 41-Jährige Standards. Sicher und geschmeidig die Seitengänge. Gerade und ausdrucksvoll, locker und auf den Punkt die fliegenden Galoppwechsel. Das Halten vorm Rückwärtsrichten ideal. In der Zwischenwertung stand einmal sogar die 17,6 auf der Anzeigetafel. Diesen Wert habe er nicht gesehen, aber einmal habe er schon gelinst und die niedrige 20 gesehen. Das habe ihm schon ein gutes Gefühl gegeben, so Jung.

Britische (Dress)Urgewalt bei Europameisterschaft

Ein Jung allein reicht aber nicht. Zumindest nicht, wenn Team Großbritannien mit derartigen Dressurvorstellungen bei der Europameisterschaft auftrumpfen kann. Nahezu alle Briten saßen zu Pferd, als wären sie auf Du und Du mit Piaffen, Passagen und Einerwechseln. Ihre Pferde gingen über weite Strecken so, wie es sein soll. Das Genick der höchste Punkt, die Anlehnung stetig, der Rücken tätig. Tugenden, die auch für die deutschen Pferde galten. Das spiegelt die Zwischenwertung wider.

Ex-Weltmeisterin dicht an Michael Jung

Als letzte Britin ging Rosalind Canter mit Lordships Graffalo bei mittlerweile strömendem Regen am Nachmittag ins Viereck. Sie Ex-Weltmeisterin, er ein Grafenstolz-Sohn. Beide zusammen Badminton-Sieger 2023. 21,3 Punkte bekamen die beiden. Ihre Runde war ähnlich makellos wie die von Michael Jung. Im Schritt punktete der Elfjährige mehr, in den Galoppwechseln war er nicht ganz so stark wie der Hannoveraner Chipmunk. „Was er momentan als gerade elfjähriges Pferd leisten kann, hat er heute gezeigt. Er hat nicht die kleinste Spur von Nerven gezeigt“, so Canter über ihren Grafenstolz-Sohn. Botschaft: Das ist noch lange nicht das Ende. Die Britin scheint schon ein bisschen an Paris 2024 zu denken.

Tom McEwen und Dublin zweitbestes britisches Paar

Schon früh am Freitag hatte der Brite Tom McEwen mit Dublin die Overnight Leader des ersten Dressurtages, Yasmin Ingham und Banzai du Loir, „entthront“. Dem 32-Jährigen gelang eine harmonische Runde mit dem imposanten Holsteiner. Der Diarado-Sohn stand sicher vor den Hilfen, wurde präzise von Punkt zu Punkt geritten. Fehler unterliefen den beiden nicht. In den Verstärkungen und Seitengängen kann es Dublin mit manch einem Dressurpferd aufnehmen. 22,0 Punkte bedeuteten die Zwischenführung bei der EM-Vielseitigkeit bis Michael Jung am Nachmittag einritt. „Super happy, im Ganzen entzückt“ von der Leistung des Wallach sei er, so McEwen. Am Ende des Tages war es Platz drei.

Alle sechs Briten unter den Top 10 nach Dressur EM-Vielseitigkeit

22,4 Minuspunkte, Platz vier, erhielt Laura Collett. Für deren Ritt auf London v. Landos galt so ziemlich dasselbe wie für die Dressur von McEwen, fehlerfrei, sicher und schön anzusehen. Einziger Unterschied: McEwen ist als Einzelreiter unterwegs. Als Einzelreiter sei er freier in seinen Entscheidungen, blickt der Olympiazweite in Richtung Geländetag. Colletts Ergebnis zählt für die Teamwertung. Großbritannien schließt die Dressur mit 67,1 ab. Dritte sind die Belgier (90,9). Für das Team, das von Kai Steffen-Meier gecoacht wird, ist die EM-Vielseitigkeit von Bedeutung, Belgien ist bislang noch nicht mit einer Mannschaft für die Olympischen Spiele qualifiziert, die Schweizer Abordnung liegt an Position vier bei der Europameisterschaft.

Starke Einzelreiter

Wie der deutsche Einzelreiter Jérôme Robiné, Siebter nach der Dressur (26,0), sind auch bei den Briten die Einzelkämpfer nicht nur zum „Mitreiten“ nach Haras du Pin gekommen: Tom Jackson kam mit seinem Badminton-Fünftem, dem irischen Schimmel Capels Hollow Drift auf Rang sechs (25,7). Wobei hier auch noch ein misslungener zweiter fliegender Galoppwechsel Punkte kostete.

Sandra Auffarth mit einem 3-Monats-Versprechen

Wie wertvoll die Dressurvorstellung von Sandra Auffarth und Viamant du Matz war, sollte sich am Ende des leider regnerischen zweiten Dressurtages zeigen. 28,6 Minuspunkte, Platz elf, sind eine gute Basis für morgen. Viamant du Matz, ein Franzose, dazu abstammend von Diamant de Semilly, ist eben nicht gerade das durchgezogene Dressurtalent.

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Sandra Auffarth und Viamant du Matz sind Elfte nach der Dressur bei der EM-Vielseitigkeit 2023 (© sportfotos-lafrentz,de)

Aber heute lieferte „Mat“ ab. Rückwärtsrichten und ein fliegender Galoppwechsel mit hoher Kruppe und wenig Durchsprung kosteten Punkte. Motiviert haben mag den Fuchs, die Aussicht auf die Zeit nach der EM-Vielseitigkeit: „Ich habe ihm versprochen, dass er drei Monate nach dieser EM nicht mehr aufs Dressurviereck muss“, so Sandra Auffarth. Vor ihr rangiert Christoph Wahler (28,3/10.). Malin Hansen-Hotopp und Quidditch finden sich auf Platz 20 vorm Gelände. Sie gehen morgen als erste deutsche Kombination auf die Cross Country-Strecke bei der EM-Vielseitigkeit.

Anzackeln im Schritt, verunglücktes Angaloppieren und dann noch ein fliegender Galoppwechsel Marke „so lala“ – auf ca. 50 Metern verlor Championats-Debütant Nicolai Aldinger mit dem Halbblüter Timmo viele Punkte. Es sei halt nicht wirklich seine Disziplin, sagte Aldinger nach seiner Dressur. Mit 33,3 Zählern ist er 34.

Der Boden, die Strecke, die Aussichten

Konditionell sind alle deutschen Pferde gut vorbereitet, betonen die Deutschen. Aber alle, nicht nur Team Germany, guckten doch etwas sparsam. Der Grund: Der einsetzende Regen. Niesel gen Mittag, der sich bis zum Nachmittag zu einem gepflegten, ergiebigen Landregen entwickelte. Bei allen, die bei den Matsch-Games von 2014 dabei waren, kommen da üble Erinnerungen hoch. Der Boden ist lehmig, um 18 Uhr wurde er schon rutschig. Das stimmte nachdenklich. „Ins Pferd hineinfühlen“, müsse man sich, sagte nicht nur Sandra Auffarth.

„Wenn es eine Minute bergauf geht, muss man ihnen einen Moment geben, wo sie wieder Luft holen können.“ Der Kurs verlange „Reife“ von den Reitern, schreibt der Brite Tom McEwen seinen Kollegen ins Oktavheft. Weil jedes Hindernis einladend gebaut ist, sei es zwar eine Herausforderung, aber dennoch ein guter Kurs, so Rosalind Canter.

Änderungen an der Strecke

Die Strecke  der Europameisterschaft wurde am Vormittag leicht geändert. Der Tiefsprung vor dem ersten Wasserkomplex ist nun nicht mehr der Auftakt einer Kombination, sondern das B-Element hinter dem Normannen Fort (Hindernis 6 – alle Hindernisse sind hier beschrieben). Ob die Strecke noch verkürzt wird, hängt auch davon ab, wie der Boden der Trasse mit dem Regen zurechtkommt. Und wie lange es regnet.

Die Ergebnisse nach der Dressur bei der EM-Vielseitigkeit finden Sie hier.

Startzeiten Gelände der Top-Reiter nach der Dressur

12.08 UhrMalin Hansen-HotoppQuidditchGER31,5 (20.)
12.32 UhrKitty KingVendredi BiatsGBR27,2 (9.)
13.04 UhrChristoph WahlerCarjatan SGER28,3 (10.)
13.32 UhrYasmin InghamBanzai du LoirGBR23,4 (5.)
13.56 UhrJérôme RobinéBlack IceGER*26,0 (7.)
14.16 UhrTom McEwenJL DublinGBR*22,0 (3.)
14.32 UhrSandra AuffarthViamant du MatzGER28,6 (11.)
15.00 UhrLaura CollettLondonGBR22,4 (4.)
15.16 UhrNicolai AldingerTimmoGER*33,3 (34.)
15.20 UhrTom JacksonCapels Hollow DriftGBR*25,7 (6.)
15.28 UhrKarin DonckersFletchaBEL26,5 (8.)
15.32 UhrMichael JungChipmunkGER19,4 (1.)
16.00 UhrRosalind CanterLordships GraffaloGBR21,3 (2.)

*Einzelreiter

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

  1. Anja Sieg

    Dann drücken wir morgen mal ganz fest die Daumen. Mögen alle – nicht nur die deutschen – Paare heil nach Hause kommen. Schade, dass das deutsche TV nicht überträgt.


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