Blog aus Neumünster: Helden von von gestern und Steppkes für morgen

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Der Holsteiner Pferdefreund ist in diesen Tagen in Neumünster, das gehört sich so. Wenn er Glück hat, sieht er seine Fohlen wieder, als Kracher im Parcours.

Seit 60 Jahren pilgern die Holsteiner Pferdefreaks in die Holsteinhalle zum Turnier. Hier wurde einst Meteor bejubelt, hier sieht so mancher Züchter sein Fohlen wieder, im Parcours oder im Dressurviereck, letzteres in Holstein allerdings seltener. Dafür leben sie, dafür züchten sie, um dabei zu sein, wenn ihr Produkt seinen großen Auftritt hat, wenn schon nicht in Aachen, dann wenigstens in der Holstenhalle. Und am liebsten knubbeln sie sich am Rande der Abreitehalle, um zuzuschauen, zu kritisieren, und sich vielleicht den einen oder anderen Trick abzugucken. Deswegen erreichten mich schon erboste Emails, bevor ich überhaupt Hamburg in Richtung Neumünster verlassen hatte. 59 Jahre lang war das möglich, aber in diesem Jahr hatten Sicherheitskräfte den Abreiteplatz hermetisch abgeriegelt fürs Publikum. Das roch nach Skandal, nach Praktiken, die der Öffentlichkeit am besten verborgen sein sollten. Also nichts wie hin!

Am Ende wars dann doch wohl ein Sturm im Wasserglas. In der alten Abreitehalle bleiben nur noch die vier Starter, die als nächste dran sind, der Hauptabreiteplatz ist jetzt im Ausstellungsbereich, der von allen Seiten einzusehen ist. Und dort hat sich schnell ein munteres Leben etabliert, hier gibts Würstchen und Bier, aber auch was Besseres wie Pina Colada. Da sitzt dann die Szene auf Barhockern und hat alles im Blick, hier trifft man sie alle. Einen hätte ich fast nicht erkannt, unseren Experten-Schmied Dieter Kröhnert mit dunkler Intellektuellenbrille!

Donnerstag abend stand das Springen für Nachwuchsreiter an, einige ganz winzig auf ihren großen Holsteinern und fast alle jünger als ihre Pferde. Kleine Leute mit großen Namen, Jesse Luther etwa, der 13-jährige Enkel des Olympiareiters Peter Luther, der schon wie ein alter Profi seine 16-jährigen Stute Bombay über die Runden steuerte, gerade im Sattel, volle Kontrolle. Beim Schaubild Jungs aufs Pferd, erfunden um der männliche Jugend nahezubringen, dass die Welt zwar rund ist, aber Fußball nicht alles, brillierte der vierjährige Matthies Rüder mit fabelhaftem Leichttraben. Vorbilder hat der Knabe in der Familie genügend: Vater Kai reitet Vielseitigkeit, Opa Hans Rüder tat es auch einst sehr ordentlich und Onkel Thorben mühte sich in der Holstenhalle redlich, wenn auch nicht vom Erfolg verwöhnt im Parcours. Und auch die Siegerin des Ponyspringens, Johanna Huesmann auf Moonlight, ist familiär vorbelastet, durch Onkel Carsten-Otto Nagel.

Das sollte sich der kleine Frederik mal anschauen, ok, dazu ist der Sohn von Isabell Werth vielleicht noch ein bisschen zu klein, drei Monate. Gesehen hat ihn fast noch keiner, aber es soll ihn wirklich geben.

Vorbilder braucht der Mensch, und wenn nicht in der Verwandtschaft, so findet er sie in Neumünster auf dem Fernseher, wo am laufenden Band Filme aus alter Zeit zu sehen sind. Da jagen Pferde über Stock und Stein, oder eine Wiese, die dann doch ein Dressurviereck sein soll. Das Tempo alter Filmbänder ist jedenfalls atemberaubend.

Mittwochabend hatten sich fast 1000 Leute ein der Holstenhalle eingefunden, um den Film Ritte des Jahrhunderts anzusehen. Dann gab es die alten Bilder, Halla mit dem verletzten Winkler auf dem Weg zum olympoischen Gold, immer noch Gänsehaut pur. Oder Meteor unter Fritz Thiedemann, Holsteiner Kraftprotz mit ewig pinselndem Schweif. Oder die Dressurpferde der Vorkriegsjahre, feine edle Modelle geritten mit leichter Hand welch ein Bild. Auch wenn nicht zu übersehen ist, welche Fortschritte die Zucht gerade in Hinblick auf Elastizität und Bewegungsqualität gemacht hat. Auf dem Podium saßen einige Akteure, die solche Ritte abgeliefert haben und plauderten von früher: Peter Luther, Karten Huck und Uwe Sauer, Sönke Sönksen und Rosemarie Springer, Hinrich Romeike und Paul Schockemöhle. Und natürlich die Stimme der Pferde Hans-Heinrich Isenbart, hoch in den Achtzigern, der mühsam zum Podium geleitet wurde und, sobald er ein Mikrophon in der Hand hat, wie ein altes Zirkuspferd voll da ist, mit fester Stimme und hochkonzentriert.

Präsentiert wurden die Filmsequenzen von Warendorfs Christoph Hess und perfekt moderiert von Janne Friederike Meyer. Die Frau hat im Pferdesport auch eine Chance nach ihrer Springreiter-Karriere, für welches Amt und welchen Job auch immer. Und schlagfertig ist sie auch. Hess: Janne, letztes Jahr beim Nationenpreis in Hickstead, da warst du zweimal Null und hast damit den Sieg der deutschen Mannschaft gesichert, war das der Ritt deines Lebens? Janne: Ich hoffe nicht, ich hoffe, da kommt noch mehr, ich hoffe, dass mein Ritt des Jahrhunderts erst noch kommt.

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