Pochhammers EM-Blog: Vet-Check geschafft, aber das dicke Ende kommt noch

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Gabriele Pochhammer Haras du Pin

Gabriele Pochhammer in Haras du Pin (© Dirk Caremans/Hippofoto.be)

Ehe die Action beginnen kann bei den Europameisterschaften der Vielseitigkeitsreiter in Haras du Pin will erst einmal der Vet-Check bestanden werden. So ganz anstandslos ging das heute nicht vonstatten aus deutscher Sicht. Aber das war erst der allererste Streich.

Die erste Hürde ist geschafft, alle sechs deutschen Pferde haben die erste Verfassungsprüfung passiert, wenn auch der Holsteiner Timmo, das Pferd von Nicolai Aldinger erst im zweiten Anlauf, nachdem er zunächst in die Holding Box geschickt wurde. „Ich muss jetzt erstmal mein Hemd wechseln“, sagte Nico anschließend, sichtlich erleichtert. Das war der Angstschweiß, kein Wunder.

Nur noch ein anderes Pferd musste in die Holding Box, der 15-jährige Schimmel Toubleu de Rueire der Schweizerin Melody Johner. An ihm störte die Richter wohl vor allem, dass er ungeniert die Zunge raushängen ließ, er war beim zweiten Mal so wenig lahm wie beim ersten. Alle anderen 54 Pferde passierten anstandslos.

Der große Fuchs Viamant de Matz von Sandra Auffarth, der hochbeinige Schimmel Carlitos Quidditch von Malin Hanse-Hotopp, der im vergangenen Jahr so souverän Blenheim gewonnen hat, Chipmunk von Dreifach-Olympiasieger Michael Jung, der hübsche irische Wallach Black Ice von Jerome Robiné und der Holsteiner Carjatan von Christoph Wahler, der sich auf den letzten beiden Championaten bereits bewährt hat – sie alle und ihre Reiter sahen prima aus.

Solide Eleganz

Die Zeit der Modeschauen bei Vetchecks scheint im Moment vorbei. Sah man in Badminton noch die Reiterinnen in schicken und teuer aussehenden Gehröcken paradieren – die sie sich zum Teil bei den Ausstellern vor Ort geliehen hatten – herrschte diesmal solide Eleganz vor. Die Deutschen in dunkelblauen Blazern, nur Jerome in seiner flotten Fliegeruniform, das war tiptop.

Die Briten beschränkten ihr modische Extravaganz auf Puschelchen an den Stiefeln, die Holländerinnen trabten in orangenen Mokassins, die Franzosen in ihren Nationalfarben: leuchtend rote Hosen, blaue Blazer, weiße Hemden.

Am schicksten die polnische Einzelreiterin Joanna Pawlik im schwarz-beige-quer gestreiften Wickelkleid. Das hatte was, sie konnte das tragen. Die Österreicher wieder in Lederhosen bzw. Dirndl, sie können ihre Folklore einfach nicht zu Hause lassen.

Eindruck von der Strecke

Vor der Verfassung bin ich den größten Teil der Strecke einmal abgegangen. Für mich sah es einfach sauschwer aus. Massive Sprünge, viele bergauf, oder, noch gefährlicher, bergab, nur wenige „gemimt“, also mit Sicherheitssystemen versehen. 5780 Meter hügeliges Gelände, in den tieferen Regionen nasser klebriger Boden, der vielleicht bis Sonnabend noch abtrocknet, vielleicht auch nicht.

Meine Handy-App hat mich wieder mal angelogen. Kein Regen behauptete sie, als wir uns heute morgen durch Nieselregen in Richtung Haras du Pin auf den Weg machten. Die Pferde brauchen jedenfalls viel Kraft und müssen noch zuspringen, wenn sie vielleicht keine Lust mehr haben. Da zeigt sich dann der Charakter. Aber ich habe gut reden, ich muss da ja nicht rüber.

Von vielen Championaten weiß ich allerdings, dass es am Ende immer anders läuft als gehofft oder befürchtet. Nach dem Geländetag sind dann alle Prophezeiungen Makulatur.

Freizeitvergnügen im Trainingslager, aber ab morgen!

Wie immer es hier läuft – die Deutschen als Weltmeister sind ja anders als zum Beispiel die Belgier und Italiener schon für Paris 2024 qualifiziert – sie haben hier eine tolle Zeit hinter sich. Im Trainingslager im mondänen Badeort Deauville wurde schließlich nicht nur geritten. Das Programm wurde aufgelockert durch eine Grillparty am Strand, traditionell auf Einladung von Gold-Mäzenin Madeleine Winter-Schulze, und durch einen Besuch auf dem Vollblutgestüt des Aga Khan. So einen Luxus, was die Haltung der Pferde angeht, hat wohl keiner von ihnen vorher gesehen. „Allein das Fünfsterne Hotel für die Gaststuten“, schwärmt Bundestrainer Peter Thomsen. In einer mehrstündigen Führung wurde ihnen alles gezeigt, da kam Ehrfurcht auf vor so viel Perfektion.

Ab morgen geht es dann zur Sache mit der Dressur, verteilt auf Donnerstag und Freitag. Das deutsche Team hat Startnummer drei gezogen, das heißt, die erste deutsche Reiterin Malin Hansen-Hotopp hat kaum Gelegenheit, sich Vorreiter im Cross anzusehen. Und gerade bei einem so schwierigen Kurs wäre es ganz schön zu wissen, wie die Prüfung läuft. Zweiter deutscher Starter ist Christoph Wahler. Er reitet seine Dressur morgen Nachmittag, dann sind vielleicht noch nicht allzu viele Zuschauer vor Ort, die den Schimmel ablenken könnten. Das kann ja schon mal vorkommen, wie man weiß. Freitag sind Sandra Auffarth mit Viamant de Matz und Michael Jung mit Chipmunk an der Reihe.

Die Startzeiten für die Dressur

Donnerstag:

  • Malin Hansen-Hotopp 11:18
  • Christoph Wahler 15:24
  • Jerome Robineè (Einzelreiter) 17.:41

Freitag:

  • Sandra Auffarth 10:54
  • Nicolai Aldinger (Einzelreiter) 15.33
  • Michael Jung 16:38

Also: Ab sofort heißt es, Daumen drücken!

Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

  1. Gabriele Wels

    ah! Ein neuer EM-Beitrag von Frau Pochhammer… dann erst einmal einen Kaffee holen und in Ruhe lesen. Wie immer informativ und unterhaltsam. Besonders die Einlicke „hinter die Kulissen“.

    Freue mich auf mehr!

    Beste Grüße aus Aachen


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