Weltcup der Dressurreiter – Strategie ist alles oder: allein unter Frauen

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Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

16 Frauen und ein Mann treten ab Mittwoch im Weltcup-Finale der Dressurreiter an. Die Nummer eins der Weltrangliste fehlt – aus welchem Grund auch immer. Geld verdienen durchs Deckgeschäft dürfte der eine aber nicht der einzige Grund sein. Strategische Überlegungen haben in der Dressur Tradition.

Wie es aussieht, gehen morgen ab 13.15 Uhr (Deutsche Zeit 20.15 Uhr) 16 Reiterinnen und ein Reiter, der US-Amerikaner Steffen Peters, in Omaha (US-Bundesstaat Nebraska) im Weltcup-Grand Prix an den Start. Es ist die erste von zwei Prüfungen, die aber mehr oder weniger nur als Einlaufprüfung zählt. Wer den Cup mit nach Hause nehmen darf, entscheidet sich allein am Freitag in der Kür. Der Unterschied zwischen einem Dax-Vorstand und einer Dressurprüfung ist nicht zu übersehen. Im ersten Fall sitzt auf fast jedem Stuhl ein Mann, in nahezu jedem Dressursattel eine Frau.

Die Titelverteidigerinnen auf Kurs

Favoritin ist die nach ihrer Babypause mühelos wieder eingestiegene Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl mit der 16-jährigen Trakehnerstute Dalera. Sie war als Titelverteidigerin gesetzt, hat aber nach den Auftritten in den Weltcup-Qualifikationen gezeigt, dass sie auf dem besten Weg ist, ihren Weltranglistenplatz eins zurückzuerobern. Zweimal, in Basel und Lyon, bekam Jessica für ihre Kür eine Note von mehr als 90 Prozent. In Stockholm – was allerdings keine Weltcup-Etappe war –, siegte sie ebenfalls, diesmal mit knapp unter 90 Prozent.

Zusammen mit Dalera reisten der 13-jährige Brandenburger Quantaz der fünffachen Weltcup-Siegerin Isabell Werth, punktbestes Paar der Qualifikationen, und der 15-jährige Hannoveraner Franziskus von Ingrid Klimke. Weiteren deutschen Reitern, Benjamin Werndl, Helen Langehanenberg und Frederic Wandres, nützten ihre Punkte aus den Qualifikationen nichts. Denn anders als im Spring-Weltcup dürfen nur drei Reiter pro Nation zum Finale, gewissermaßen eine Lex Germanica.

Glamourdale fehlt

Eine fehlt: die derzeitige Nummer eins der Weltrangliste, die Britin Charlotte Fry auf dem zwölfjährigen KWPN-Hengst Glamourdale. Der Hengst hat einfach keine Zeit, so die offizielle Lesart der Besitzer. Der Weltmeister von 2022 ist ein gefragter Deckhengst und jetzt ist gerade Hochsaison im Zuchtgeschäft. Die 2200 Euro für die Geburt jedes lebenden Fohlens sind schneller verdient als mit Piaffen und Pirouetten im Dressurviereck. Maximal 61.600 Euro sind bei einem Sieg in beiden Weltcup-Prüfungen zu gewinnen, weit mehr als hundert kleine Glamourdales dürften im nächsten Jahr das Licht der Welt erblicken – das ist dann einfach ein Rechenexempel.

Unabhängig von Deckeinnahmen: Die Spitzenpaare in der Dressur gehen sich vor Championaten gerne weiträumig aus dem Weg, das hat Tradition. Zumal in diesem Fall in den Qualifikationen auch ohne direktes Zusammentreffen die beiden Top-Stars Kopf an Kopf lagen – das hätte spannend werden können und das Weltcup-Finale sportlich aufgewertet. Außer diesen beiden kam kein Pferd den 90 Prozent nahe. So wird man auf das Treffen von Glamourdale und der seit 20 Prüfungen ungeschlagenen Dalera vielleicht bis zur Europameisterschaft in Riesenbeck vom 4. bis 10. September warten müssen. „Das ist schon immer so gewesen“, sagt Katrina Wüst, in Omaha am Richtertisch. „Da spielen auch taktische Überlegungen eine Rolle.“ Denn während Tennisspieler Strafen zahlen müssen, wenn sie bei einem Grand Slam-Turnier ohne guten Grund nicht erscheinen, können Dressurreiter ihre Strategie verfolgen. Und die lautet: nicht zu oft auf den stärksten Gegner treffen, damit sich im Kopf der Richter nicht etwa eine unerwünschte Rangfolge etabliert. „Da ist schließlich ganz viel Psychologie im Spiel“, sagt Katrina Wüst.

Das sei auch der Grund, warum so schwer Pferde für Richterschulungen zu bekommen seien. „Die Reiter haben Angst vor schlechten Noten. Bekommen sie einmal eine fünf im Schritt, befürchten sie, dass das dem Pferd ewig nachhängt.“ Zwar hält Katrina Wüst die Sorge für unbegründet – „Kein Pferd wird auf einer Richterschulung zerrissen“ – was aber auf der anderen Seite bedeutet, dass ein Fünfer-Schritt mit Rücksicht auf die Reiter-Psyche nicht als solcher bewertet wird. Dabei sollen die Richterschüler doch gerade lernen, wie sie benoten, was sie sehen – offenbar ein schwer zu lösendes Dilemma.

Richten – schwieriger als es aussieht

Das haben auch Reiter und Trainer vor einigen Wochen bei einem Seminar in Hagen bei Ullrich Kasselmann erfahren. Beim Treffen des Internationalen Dressurreiter Clubs (IDRC) saßen die Reiter mal selbst am Richtertisch mit teils abenteuerlichen Ergebnissen. In einem Fall schwankte die Benotung zwischen zwei und neun. So einfach ist es wohl doch nicht, im Sekundentakt die richtigen Noten herauszuhauen – vielleicht eine heilsame Erkenntnis für den einen oder anderen Reiter.

„Im Grunde geht es doch darum sein Pferd so zu positionieren, dass es möglichst glamourös erscheint“, sagt Katrina Wüst. Und dafür werden die 16 Damen und der eine Herr in Omaha alles tun, was in ihrer Macht steht.

Zeitplan und Ergebnisse des Weltcup-Finales in Omaha finden Sie hier.Air Jordan 1 Outlet Store | air jordan 1 mid tartan swoosh

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.