Parzival ist tot, Adelinde Cornelissens Fuchs wurde 26 Jahre alt

Von
09-04-d013-adelinde-corneli1_large

Adelinde Cornelissen und Parzival beim Training zuhause im Frühjahr 2009 (© toffi-images.de)

Dass Parzival tot ist, der Fuchs, mit dem der Aufstieg eines niederländischen Nobodys namens Adelinde Cornelissen begann, bietet nicht nur Gelegenheit ein Pferdeleben zu würdigen. Es ist auch ein Blick auf eine dunkle Ära im Dressursport.

Einfach war er nie, der Jazz-Sohn Parzival. Nun ist er tot, gestorben mit 26 Jahren. Der Fuchswallach, der fast sein gesamtes Leben bei Familie Cornelissen in Nordholland verbracht hat. Nordholland, das muss man wissen, ist nicht die strukturstärkste Region in unserem Nachbarland. Viele der prunkvollen Reitanlagen niederländischer Topreiter finden sich im Süden, etwa in der Region Brabant.

Insofern war es ein bisschen eine Aschenputtel-Geschichte, die ihren Lauf nahm als der bei J. Beijer Sohn der Fidora v. UIft-Roemer 2007 in nationalen Grand Prixs erschien. Im Sattel eine junge Sportlehrerin, die den Jazz-Nachkommen gemeinsam mit Johan Haminga auf Grand Prix-Niveau trainiert hatte. „Parzival? Adelinde – wer?“ Die Frage wurde bald beantwortet. Das Paar wurde 2008 niederländische Meister, belegte im selben Jahr dreimal Platz zwei in Aachen hinter Isabell Werth und Satchmo. Die beiden waren damals das Maß aller Dinge.

Anfangs ging Parzival ohne Rollkur

Leider haben sich viele negative Bilder in meinem Hirn eingebrannt, wenn ich den Namen Parzival höre. Das Traurige daran: Seinen kometenhaften Aufstieg in den Sport hatte das Paar mit ordentlichem Reiten geschafft. Das pferdeverachtende Training, das zu der Zeit von Sjef Jansen und seiner Frau Anky van Grunsven ausführlich praktiziert wurde, war nicht das Ding der Sportlehrerin. Zunächst zumindest.

www.toffi-images.de

Spieglein, Spieglein an der Wand … Parzival und Adelinde Cornelissen 2009. (© www.toffi-images.de)

Ich hatte die beiden eher zufällig gesehen, 2008 beim Weltcup-Finale in ‘s-Hertogenbosch. Da ging Parzival in der nationalen Grand Prix-Tour und ein niederländischer Kollege, einer der wenigen, die damals, drei Jahre nach dem Artikel „Dressur pervers“, der die Rollkur-Diskussion ins Laufen gebracht hatte, überhaupt noch mit St.GEORG sprach, hatte mir einen Tipp gegeben. Den müsse ich sehen. Und was ich sah, das war begeisternd. Ich erinnere mich noch wie ich mich, nach weit greifenden Traversalen und der ersten Piaffe – gut gesetzt, flüssig im Übergang in die ausdruckstarke Passage – bei dem Gedanken erwischte, dass Parzival als Sohn von Jazz sicherlich im Schritt „ein Loch“ haben würde. Fehlanzeige – und dann dieser große Galopp, bergauf, gerade Einerwechsel. Kaum dass die Diagonalen lang genug waren. Dabei konnte sich der Fuchs auch setzen, die sehr guten Pirouetten bewiesen das.

In diesem Jahr wurde Parzival Ersatzpferd der Niederländer bei den Olympischen Spielen in Hongkong. Die Newcomerin konnte sich noch nicht gegen die alten Seilschaften durchsetzen. Die lebten ihr Luxusleben mit Reitanlagen aus dem Werbeprospekt. Und Adelinde? Die hatte eine kleine (!) Reithalle aus Wellblech, tatsächlich Aschenputtel. Wir entschlossen uns, eine Reportage zu machen über die Niederländerin, die augenscheinlich so anders war als ihre Mannschaftskolleginnen und -kollegen.

Damals im Januar 2009 hatten wir einen Schülerpraktikanten in der Redaktion, der bei scheußlichem Wetter mit nach Holland fahren durfte: Claas, Nachname Romeike. Der musste die Blitzanlagen von Fotograf Jacques Toffi schleppen und während des Fotografierens an einem Sicherungskasten, den der deutsche TÜV lieber nicht sehen sollte, aufpassen, dass keine Sicherung heraussprang.

Im kleinen Wohnzimmer von Adelindes Eltern, netten, bescheidenen Leuten, saßen wir nach dem Fotografieren zusammen, und unterhielten uns. „Rollkur“, nein das wolle man nie praktizieren, waren sich die drei einig.

Das Bild wendete sich

Doch schon bald war das kein Thema mehr. Sjef Jansen war damals Bondscoach, Nationaltrainer,. Wer nicht nach seinem Prinzip ritt, der hatte keine Chance auf einen Teamplatz. Und die Richter warfen den gequälten Kreaturen die Noten hinterher. Es sprach also viel dafür, das System zu ändern. Zu viel.

Julia Rau

Platz zwei im Weltcup-Finale in Göteborg. (© Julia Rau)

Aus dem Parzival, den ich als zwölfjähriges Grand Prix-Pferd in der Wellblech-Reithalle vor Augen hatte, wurde eine der Ikonen für schlechtes, aber erfolgreiches Reiten. Blutendes Maul, wüstes Abreiten – das Paar schaffte es häufig in die Schlagzeilen. Später kamen dann gesundheitliche Probleme hinzu, unter anderem ein Herzfehler, sodass Parzivals Herzschlag mit einem Monitor überwacht wurde. Dreimal gewannen die beiden das Weltcupfinale mit präzise gerittenen Küren, technisch schwierig. Die Leichtigkeit des jungen Pferdes aus ‘s-Hertogenbosch hatte er da längst abgelegt. Das Highlight waren die Spiele von London: Zweimal Silber und Bronze mit der niederländischen Equipe.

Sein letztes Turnier endete nicht wie gewünscht. Mit 19 Jahren zählte der Fuchs zum Olympiateam in Rio 2016. Seine Nominierung hatte in den Niederlanden Unmut erzeugt, die Reservistin verzichtete aus Protest auf die Reise nach Brasilien. Vor Ort hatte ein Insekt Parzival gestochen, die Backe schwoll an, Parzival hatte Fieber. Im Grand Prix konnte er dann doch gehen, allerdings war der Fuchs nicht wirklich fit. Er ließ die Zunge heraushängen, Cornelissen gab auf.

Fortan wurde Parzival noch täglich geritten, wurde kurioserweise im Alter von 20 Jahren noch einmal für den Kader nominiert. Damals reagierte Adelinde Cornelissen prompt und postete auf Facebook die klare Message: Parzival ist in Rente. 2017 wurde er in ‘s-Hertogenbosch ein letztes Mal vom Publikum gefeiert. Der Abschied eines Pferdes, das ich immer noch in der Wellblech-Reithalle vor mir sehe. Eine Persönlichkeit.

Nun ist der Wallach gestorben. Adelinde Cornelissen verabschiedet sich in den Sozialen Medien von dem „Big Boss Parzival“, von dem sie so viel gelernt habe:

„Er war ein echter Professor. Jeden Tag brachte er die Pferdepfleger auf die Weide und trat ihnen auf die Zehen, wenn sie versuchten, mit dem Bürsten oder Kraulen aufzuhören. Er versuchte, neuen Pflegern Angst zu machen, wenn sie versuchten, seine Box zu betreten, und nach ein paar Jahren war er so selbstbewusst im Umgang mit Kameras, dass er anhielt und posierte, sobald er eine entdeckte!

Ich habe noch nie so eine Persönlichkeit getroffen!

Ich weine, während ich dies schreibe… ich weiß nicht, wie ich einen Tag ohne dich leben soll, meinen besten Kumpel, meinen Seelenverwandten, der für mich durchs Feuer gehen wird und ich für ihn… ich bin am Boden zerstört und untröstlich… 💔

Es tut weh, an die Tage ohne dich zu denken, Parzi…

Es fühlt sich schon so leer an….

Danke Parzi für eine erstaunliche Reise und wunderbare Erinnerungen… Ich werde sie in Ehren halten…“

Auch interessant

nike sb dunk sizing and fit guide | WpadcShops – Common Projects Summer Edition low-top sneakers Grigio – Sneaker scarpe & Release Dates

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).