Deutschland führt in Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen, Weishaupt Zweiter

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Jana Wargers und Limbridge sorgten mit einer Nullrunde dafür, dass das deutsche Team nach der ersten Runde des Nationenpreises bei der Europameisterschaft in Mailand führt. (© Pauline von Hardenberg)

In einem spannenden ersten Umlauf um die Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen hat sich das deutsche Team an die Spitze gesetzt. Eine Vorentscheidung ist das aber noch nicht. Schweden, die Schweiz und Irland liegen gerade einmal 0,69 Strafpunkte dahinter. Philipp Weishaupt rangiert an zweiter Stelle der Einzelwertung.

Bis kurz vor Schluss sah es im ersten Umlauf der Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen nach dem schon gestern eingeläuteten Zweikampf zwischen den Schweizern und den Schweden aus. Doch die letzten zehn Minuten des Springens würfelten einiges durcheinander.

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Schweden sackt – leicht – ab

Als der letzte Starter, gleichzeitig der Abschlussreiter Schwedens, Rolf Göran Bengtsson mit dem Holsteiner Zuccero, mit zwei Abwürfen über die Ziellinie ritt, war klar: Schweden rutscht trotz zwei Nullrunden von dem auch weiterhin in der Einzelwertung führenden Jens Fredricson mit Markan Cosmopolit (0/1.) und Henrik von Eckermann und Iliana (0,7/5.) auf Rang zwei in der Teamzwischenwertung ab. Zuvor hatte sich auch der Schweizer Martin Fuchs mit Leone Jei einen Fehler eingehandelt (4,28/15.). Damit waren die in Führung liegenden Schweizer bereits um eine Position im Ranking abgesackt. Der hochsensible Schimmel wollte einmal mehr nicht auf den Platz. Martin Fuchs stieg ab, Pfleger Sean führte den Baltic-Sohn bis zur Schranke. Im Gehen wurde Fuchs dann in den Sattel geschubst. Die Verkrampfung vermochte das Paar aber nicht zu verbergen. Der Schimmel sprang extrem hoch, kam nie zur Losgelassenheit. Irgendwann reichte es dann einfach nicht mehr – Fehler!

Vorn alles ganz knapp nach dem ersten Umlauf im EM-Nationenpreis

Deutschland kommt nach zwei fehlerfreien Runden von Phillipp Weishaupt und Jana Wargers auf 9,31 Strafpunkte. Schweden hat 9,51, die Schweizer Abordnung 9,92 Zähler. „Einen Tag zu früh“, käme dieses Ergebnis, schmunzelt ein zufriedener Bundestrainer Otto Becker und guckt gleich warnend auf die zweite Runde morgen, in der die besten zehn Mannschaften ab 13.30 Uhr um die Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen reiten. „Wir haben noch keine Medaille sicher, das geht so schnell hin und her. Wir müssen hochkonzentriert bleiben.“ Dennoch spricht Becker von einer „guten Ausgangsposition“. Seine Telegrammanalyse: „Philipp wieder ‘ne überragende Runde wie gestern schon, Jana auch, Christian dürfen wir auch nicht vergessen, Marcus ‘n Flüchtlingsfehler“.

Startreihenfolge noch einmal geändert

Gestern Abend hatte das deutsche Team zusammengesessen und beschlossen, die Startreihenfolge innerhalb der Mannschaft zu ändern. Weil der Rasen gestern nach dem zwei Drittel des Starterfeldes durch die Arena galoppiert waren, nicht mehr ideal war, sollten heute die Paare früh starten, die noch eine Chance auf eine gute Einzelplatzierung hatten. Deswegen hieß es heute: Ehning, Weishaupt, Wargers und Nieberg im Umlauf im EM-Nationenpreis 2023.

Pauline von Hardenberg

Ein Flüchtigkeitsfehler mit der Hinterhand an der Mauer unterlief Stargold unter Marcus Ehning, hier am Plankensprung. (© Pauline von Hardenberg)

Marcus Ehning und Stargold sahen von außen betrachtet nicht so souverän wie gestern aus. Schon früh handelte sich der Oldenburger einen Fehler ein. Mit der Hinterhand nahm er einen der Mauerkästen, Sprung 3, mit. „Die sind so schmal, da hat es schon einige Fehler gegeben“, sagte Marcus Ehning. Die Distanz von neun Galoppsprüngen war nicht ganz ideal verlaufen, entsprechend war der Braune etwas groß abgesprungen. Auch im weiteren Verlauf des Parcours berührte der Aachen-Sieger immer mal wieder mit der Hinterhand die Stangen und versetzte sie in Schwingungen. Für Ehning waren das keine Momente von Unsicherheit, im Gegenteil, „das gute Pferd berührt schon einmal“, sagt er. Unsicher habe er sich zu keinem Moment gefühlt, so Ehning. 6,72 Strafpunkte (22.) nimmt er nun auf seinem individuellen Konto in die Team-Entscheidung am morgigen Freitag mit. „Klappern gehört zum Handwerk“, findet Bundestrainer Otto Becker und hofft nun, dass die Runde morgen „uns nicht so viele Nerven kostet“ bei der Entscheidung in der Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen

Philipp Weishaupt Zweiter – Paris winkt am Horizont

Pauline von Hardenberg

In Bilderbuchmanier unterwegs: Zineday und Philipp Weishaupt rangieren aktuell in der Zwischenwertung auf Platz zwei. (© Pauline von Hardenberg)

Philipp Weishaupt surft auch weiter auf der Erfolgswelle. Null, mühelos, kein Wackelmoment. Der Westfale Zineday zeigte sich hier so wie in Aachen: unfassbar gut. Sicher an den Hilfen, kein Moment des Luftanhaltens für die mitfiebernden Zuschauer. Der Lohn: Auch weiterhin stehen für ihn lediglich 0,31 Strafpunkte zu Buche – nach Martin Fuchs‘ Patzer ist das jetzt Rang zwei der Zwischenwertung.

„Etwas guckig“ sei der Wallach gewesen an der Mauer und der Planke. Diese beiden massiven Sprünge kamen jeweils aus Wendungen (Parcoursdetails hier). „Da hat er die Aufgaben spät gesehen“. Obwohl der Fuchs erst neun Jahre alt ist, zeigte er sich recht abgeklärt. Nicht ohne Grund, erläutert Weishaupt: „Neun ist nicht gleich neun. Einige Stuten haben erst noch Fohlen, gehen dann sechs- und siebenjährig unter einem Amateur und kommen dann in den Sport. Zineday ist von Richi Vogel angeritten worden, dann zwei Jahre von Christian Kukuk und jetzt von mir.“ Das sei schon etwas anderes, sagt der Mann aus Riesenbeck. Früher sei Zineday frech gewesen, „seitdem er Wallach ist, ist er das nicht mehr. Nur noch selbstbewusst“.

Otto Becker ist angetan von der Formkonstanz des Zinedine-Sohns. Nicht nur in Aachen, sondern auch in Paris und in den zwei Springen der Global Champions League in Riesenbeck sei der Wallach null gegangen. Wer Becker reden hört, der meint zu verstehen, dass er das Paar schon jetzt klar auf seiner persönlichen Olympialonglist hat.

Jana Wargers: Leichtigkeit made by Limelight

Pauline von Hardenberg

Jana Wargers und Limbridge zeigten eine wunderbare Runde. (© Pauline von Hardenberg)

Jana Wargers und Limbridge gingen als drittes deutsches Starterpaar in den Parcours. Der Kombination mit Wohnsitz Belgien gelang eine sichere Runde. Der Limbus-Sohn galoppierte mit hoher Nase rhythmisch über die Hindernisse. An der zweifachen Kombination, 10a/b, ertönte ein kollektives „brrrrr!!“ aus der Kiss-and-Cry Corner, wo die deutsche Abordnung zum Daumendrücken stand. Auch vorm vorletzten Sprung hielt die Fan-Base neben dem Einritt etwas die Luft an. Aber der Holsteiner strafte alle Lügen, die dort zitterten. Eine einfach schöne Runde. „Die Nullrunde war wichtig, ich war total fokussiert“, so das Fazit. Die beiden sind jetzt Elfte (2,28).

Pauline von Hardenberg

Gerrit Nieberg und Ben lieferten heute das Streichergebnis. (© Pauline von Hardenberg)

Nach guter erster Parcourshälfte unterliefen Gerrit Nieberg und Ben drei Abwürfe. Damit lieferten die beiden aus Münster auch heute das Streichergebnis. „Ich bin noch nicht zufrieden wie die ersten beiden Tage hier gelaufen sind. Trotzdem hatte ich heute ein wesentlich besseres Gefühl, gerade in der ersten Hälfte des Parcours.“ Er könne nach dieser Runde optimistisch ins Finale gucken und hofft, das Team noch unterstützen zu können.

Kukuk klettert in Einzelwertung nach vorn

Pauline von Hardenberg

Platz neun nach zwei Wertungsprüfungen als Einzelreiter: Christian Kukuk und Mumbai. (© Pauline von Hardenberg)

Christian Kukuk und Mumbai waren als 24. Starter dran, die Einzelreiter gingen vor den Mannschaftsreiten in den Parcours. Bis dahin hatte es zwar schon einen Ritt ohne Abwurf, aber noch keinen ohne Fehler gegeben ­– die Zeit war neben den respektablen Abmessungen ein weiterer Faktor im ersten Umlauf der Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen.

Das Paar aus Riesenbeck ging planvoll vor. Eine Distanz, von der Mauer (3) auf einen Oxer mit Stangen in Italienfarben, habe er mit einem Galoppsprung weniger geplant geritten, „da hat Mumbai mir geholfen“. Wie exakt aufeinander eingespielt die beiden sind, zeigte die Distanz nach dem Buschoxer (5) auf die dreifache Kombination. Fast alle Paare wählten hier sieben Galoppsprünge. Kukuk entschied sich für acht. Schon in der Landung hielt er förmlich inne, richtete sich etwas auf. Mumbai reagierte sofort. „Warten und gehen, so soll es doch sein“, schmunzelt Kukuk danach selbstbewusst. Recht hat er – nur so sicher und souverän sah das bei anderen Paaren nicht aus. Zu den 2,04 Strafpunkte aus dem Zeitspringen kam nichts hinzu. Nach der ersten Runde des Nationenpreises rangiert Kukuk nun an neunter Position.

Der Schimmelhengst Mumbai, eigentlich ein Pferd, das barhuf unterwegs ist, war für die Europameisterschaften beschlagen worden. „Am Sonntag hat er Eisen bekommen, nächsten Sonntag kommen sie wieder runter“, erläutert Kukuk. Alle zehn Wochen könne der Hengst einmal auf Gras gehen, anschließend aber brauche es eben die Zeit, damit die Nagellöcher ganz herausgewachsen sind. Ein erneutes Beschlagen mit den Nägeln in den alten Löchern habe sich nicht bewährt.

Souveräner Steve, Österreicher schielen gen Olympia

Die vielleicht schönste Runde des Tages lieferte der Schweizer Steve Guerdat mit der französischen Stute Dynamix de Belhem. Zu keiner Sekunde sah es so aus, als würden die beiden einen Kurs absolvieren, mit dem einige Weltklassepaare ihre Schwierigkeiten hatten. 14 von 84 Startern blieben ohne Abwurf. Guerdat ist Dritter in er Zwischenwertung (0,43). Der Franzose Julien Epaillard mit Dubai du Cedre ist Vierter (0,61). Auch die Italiener, aktuell Sechste in der Teamwertung (18,42), hoffen noch auf ein Olympiaticket. Ihr bester Reiter Emanuele Camilli mit Odense Odeveld rangiert auf Position sechs (1,18).

Aber auch die Dänen und Österreich hatten neben den Schweizern, denen schon ein schwarzer Freitag widerfahren müsste, sollte es nicht klappen, auf einen der beiden Teamplätze für Olympia 2024, die hier vergeben werden, geschielt. Dänemark kann die Hoffnung begraben, das Team kam nicht unter die besten zehn, die in Runde zwei morgen startberechtigt sind. Mit 16,77 Strafpunkten sind die Österreicher derzeit als Fünfte gegenüber den Italienern leicht im Vorteil.

Pauline von Hardenberg

Jur Vrieling und Long John Silver waren die besten der niederländischen Abordnung. (© Pauline von Hardenberg)

Die Niederländer, aktuell Siebte, landeten weniger weit vorn als erwartet. Gerade noch dabei sind morgen die Briten als Zehnte in der Mannschaftswertung bei der Europameisterschaft Springen.

Das Mannschaftsergebnis nach dem ersten Umlauf

Das Einzelklassement nach zwei Wertungsprüfungen

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).