Das Pferdegebiss: Rund um Zähne und Gebisse

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Pferdegebiss

Zähne und Gebiss sollten regelmäßig kontrolliert und gepflegt werden. (© www.toffi-images.de)

Das Pferdegebiss ist sensibel und wichtig zugleich. Zahnprobleme zeigen sich oft nicht nur beim Fressen, sondern auch unter dem Sattel und oft stellt sich die Frage nach dem perfekten Gebiss zum Reiten. Doch was ist wichtig und worauf sollte man achten?

Willow hat in Dressurprüfungen der Klasse M schon zahlreiche Schleifen gesammelt, doch seit ein paar Tagen misslingen zuhause selbst die einfachsten Übungen: Der Wallach geht nicht mehr losgelassen, sondern wirkt verspannt. Wenn es ans Versammeln geht, wehrt er sich gegen den Zügel, schlägt manchmal sogar mit dem Kopf. Für Tierärzte ein Alarmsignal.

Häufig machen sich Probleme im Pferdegebiss beim Fressen mit eindeutigen Symptomen bemerkbar, aber auch unter dem Reiter gibt es Auffälligkeiten, bei denen aufmerksame Pferdebesitzer auch Zahnprobleme im Hinterkopf haben sollten.

 

Das Pferdegebiss: anatomischer Aufbau

Bei der Geburt haben die meisten Fohlen schon zwölf bis 16 Milchzähne – Das sogenannte Milchzahngebiss. Nach dem Zahnwechsel ist ein vollständiges, bleibendes Pferdegebiss aber erst später im Alter von fünf bis sechs Jahren vollständig ausgebildet. Abhängig von der Anzahl der Hengst- und Wolfszähne hat ein erwachsenes Pferd 36 bis 44 bleibende Zähne: Zwölf Schneidezähne (Incisivi), null bis vier Hengstzähne oder Eckzähne, null bis vier Wolfszähne, 24 Backenzähne. Ein ausgewachsenes Pferd hat also 36 bis 44 Zähne.

Bei den Backzähnen – auch Mahlzähne genannt – gibt es die sogenannten Prämolaren, also die vorderen Backenzähne, wovon das zwölf im Pferdegebiss angelegt sind und noch einmal zwölf Molaren, die hinteren Backenzähne. Besonders Anfällig für Schäden sind meist der Vorderste der Molaren und der Hinterste der Prämolaren.

Zwischen den Schneidezähnen und den Backenzähnen befindet sich eine zahnfreie Lücke, in der das Trensengebiss liegt.

Der Zahn wird beim Pferd im Laufe des Lebens kontinuierlich abgerieben. Pro Jahr sind das etwa zwei bis vier Millimeter und wird gleichzeitig aus dem Zahnfach nachgeschoben. Deswegen scheint der Zahn lebenslang zu „wachsen“. In Wirklichkeit wird allerdings durch das herausschieben des Zahns die Wurzel entsprechend kürzer.

@ St.GEORGA:Incisivi (Schneidezähne), B: Canini (Hakenzähne), C: Prämolaren (vordere Backenzähne), D: Molaren (hintere Backenzähne), E: Oberkiefer, F: Unterkiefer

Häufige Zahnprobleme beim Pferd

Ist alles in Balance? Diese Frage stellt sich Dr. Walter Lewin, wenn er ins Pferdemaul blickt. Sein Augenmerk gilt dabei den Bereichen Schneidezähne, Backenzähne und Verankerung des Unterkiefers im Kiefergelenk. „Hier sind häufig Imbalancen zu finden, die sich negativ auswirken“, berichtet der Tierarzt. Sprich, wenn im Pferdegebiss die Zähne oder der Kiefer nicht richtig zueinander stehen, können sich die Zähne nicht wie von Natur aus vorgesehen gleichmäßig abnutzen.

Je nach Alter des Pferdes sollten im Pferdegebiss die Zähne ein- bis zweimal im Jahr von einem Fachmann untersucht werden. Bei Fohlen wird zunächst geprüft, ob alle Schneidezähne vorhanden sind und ob eine Fehlstellung des Kiefers oder ein unvollständig ausgebildeter Gaumen vorliegt. Beides kann, wenn es frühzeitig erkannt wird, korrigiert werden.

Der Zahnwechsel beim jungen Pferd

In der Zeit vom Absetzer bis zum Zweijährigen wachsen die jungen Pferde stark und müssen optimal ernährt werden – da muss auch mit dem Pferdegebiss alles stimmen! Der Tierarzt prüft jetzt, ob alle Zähne entsprechend des Alters ausgebildet sind und ob sich scharfe Kanten gebildet haben. Pferdebesitzer sollten auch den Zahnspezialisten rufen, wenn ihnen auffällt, dass ihre Tiere in dieser Phase nicht ausreichend fressen oder Kauprobleme haben.

Ab etwa Dreijährig beginnt im Pferdegebiss der Zahnwechsel. Jetzt ist einiges im Umbruch und viele Probleme können in dieser Zeit entstehen: Alle 24 Milchzähne werden gewechselt, 36 bis 44 neue Zähne kommen!

Daher sollten die Zähne jetzt zweimal im Jahr von einem Fachmann überprüft werden. Mögliche Probleme sind beispielsweise verzögertes Ablösen der Milchkappen, Schwellungen am Kiefer durch zu enge Zahnfächer und Schleimhaut- oder Zungenverletzungen durch scharfe Kanten an Zähnen und Milchkappen. Auch das Kauen kann den jungen Pferden schwerfallen, wenn sich die Schneidezähne ungleich entwickeln.

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Schon kleinste Haken an den Zähnen pieksen ins Zahnfleisch und können Probleme verursachen. (© www.toffi-images.de)

Pferdezähne mit Haken

Vor allem an den seitlichen Bereichen der Backenzähne bilden sich aufgrund ungleichmäßiger Abnutzung oft scharfe Kanten (Zahnspitzen). Am Unterkiefer zeigen sie zur Zunge hin, am Oberkiefer in Richtung Backe.“

Der Kiefer kann dann nicht mehr weit genug hin- und hergeschoben werden. Beim Raspeln entfernen Tierärzte die Zahnspitzen, so dass die Pferde wieder gleichmäßig alle Teile des Zahns durch elliptisches Hin- und Herschieben abnutzen können.

Eine weitere Schwachstelle im Pferdegebiss sind der erste Oberkieferbackenzahn und der letzte Zahn im Unterkiefer, der Elfer. Bei manchen Pferden überragen die Oberkieferbackenzähne einer Zahnreihe den Unterkiefer nach vorne und haben keinen korrekten Gegenspieler. Was die Natur eigentlich gut eingerichtet hat, nämlich dass die Zähne bei Abnutzung nachwachsen, wird dann zu einem großen Problem: Der hintere Teil des Elfers kann sich nicht an einem anderen Zahn abreiben und schiebt sich dadurch immer weiter aus dem Zahnfach heraus, ohne an Länge zu verlieren. Sogenannte Haken oder Rampen entwickeln sich.

Schwachstelle Elfer

Das Raspeln des elften Zahnes gestaltet sich oft recht schwierig, da man wegen der Enge im Kieferwinkel und wegen des Weichteilgewebes schlecht an den Zahn herankommt. „Man muss aufpassen, dass man nicht vorne zu viel und hinten zu wenig raspelt“, erklärt der Tierarzt Dr. Lewin. „Sonst entsteht ungleichmäßiger Druck auf manche Zähne. Ist dieser punktuell sehr groß, kann es sogar zu Teilfrakturen eines Zahnes kommen.“

Er mahnt, dass immer mit Bedacht geraspelt werden sollte und sich Pferdebesitzer an erfahrene Fachleute wenden sollten.

Wolfszähne und Hengstzähne

Beim Menschen sind es die Weisheitszähne, beim Pferd die Haken- und Wolfszähne – all diese Zähne sind im Laufe der Zeit unnötig geworden und verschwinden daher zum Teil oder brechen nicht ganz durchs Zahnfleisch. „Hakenzähne sind genau wie Wolfszähne nicht mehr relevant für die Nahrungsaufnahme, es sind Rudimente. Es herrscht kein evolutionärer Druck mehr auf ihnen, daher ist es sehr variabel, welches Pferd diese Zähne hat, wo sie liegen und wie groß sie sind“, erklärt der Anatomie-Experte Prof. Dr. Staszyk von der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Die Hakenzähne werden zwar oft auch Hengstzähne genannt, weil sie im Laufe der Evolution zu sekundären Geschlechtsmerkmalen geworden sind. Allerdings können sie durchaus auch bei Stuten auftreten. Problematisch werden diese Zähne, wenn sie zum Beispiel im Bereich des Gebisses liegen oder wenn sich zu viel Zahnstein bildet – was bei diesen Zähnen häufig der Fall ist.

Wolfszähne

Auch die Wolfszähne, die bei manchen Pferden vorkommen und vor dem ersten funktionstüchtigen Backenzahn liegen, werden zum Problem, wenn sie mit dem Trensengebiss in Kontakt kommen. Außerdem können sich die Zunge oder die Lefzen durch die kleinen, spitzen Zähne entzünden oder sogar verletzt werden. Manche Wolfszähne sind so klein, dass sie unter der Schleimhaut versteckt bleiben, was sehr tückisch ist. Denn diese „blinden“ Wolfszähne fallen zwar nicht auf, können aber ebenfalls durch ein Gebiss gereizt werden und beim Reiten Probleme bereiten.

Wichtig sind also eine regelmäßige Zahnkontrolle und gezielte Behandlung bei Zahnproblemen durch einen qualifizierten Tierarzt. Dabei sollte man innerhalb der Zahnpflege auch darauf achten regelmäßig die Pferdezähne zu raspeln, damit keine Haken entstehen.

Problem Zahnstein

Eine der wenigen Krankheiten, die man auch als Pferdebesitzer gut erkennen kann, ist Zahnstein an den Schneidezähnen. Er muss beim Pferd wie beim Mensch entfernt werden, da er das Zahnfleisch zurückdrängt. „Manche Pferde neigen vermehrt dazu, Zahnstein zu bekommen, andere weniger. Ursache ist häufig, dass diese einen anderen Speichel haben.“ Was genau im Speichel dafür verantwortlich ist, konnte leider noch nicht geklärt werden.

Verschiedene Gebissmaterialien haben nach Erfahrung von Dr. Lewin jedoch keinen negativen Einfluss auf die Speichelzusammensetzung, denn Zahnstein tritt bei ungerittenen Pferden genauso auf wie bei Reitpferden. Entfernt wird er, wie beim Menschen auch, mechanisch.

 

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