Freispringen dient der Gymnastizierung und erleichtert den Einstieg in das Springen unterm Sattel. Außerdem bringt es, gerade wenn es draußen nass, kalt und dunkel ist, Abwechslung ins tägliche Training. Experte Jasper Kools mit Ideen für Koordination, Kraft und einen vertrauensvollen Karrierestart.
Jasper Kools ist Experte für (Frei-)Springen. Im Alter von 24 Jahren wurde der Diepholzer bereits Pferdewirtschaftsmeister. Als Reiter ist er erfolgreich bis S-Springen auf Vier-Sterne-Niveau. Als Ausbilder legt er die Grundlagen junger Pferde und die seiner Reitschüler. Im Winter bietet Kools darüber hinaus regelmäßig Freispringen unter seiner Leitung an, beim Oldenburger Verband verantwortet er alle Freispringen – von der Hengstkörung bis zur Stutenleistungsprüfung.
Anfang des Jahres haben wir das Freispringen bei Jasper Kools besucht und die besten Tipps für einen vertrauensvollen Einstieg und sinnvolles Training mitgenommen.
Klassiker fürs Freispringen: Die Universalreihe
Freispringen fördert die Selbstständigkeit des Pferdes und es fordert den Ausbilder. Es ist nichts „für eben mal zwischendurch“. „Der Aufbau muss vom Pferd verstanden werden. In der Reihe findet Ausbildung statt. Pferde sollen in der Reihe lernen.“ Und eben das gelingt nur, wenn die Basis stimmt: das Vertrauen. Das ist Jasper Kools wichtig. Egal, ob Aachen-Supertalent in spe, Allrounder, der mal etwas ohne Sattel oder Longe für Fitness und Koordination tun darf oder das Dressurpferd, das sich zur Verbesserung seiner Lockerheit mit bunten Stangen konfrontiert sieht.
Der erfolgreiche Springreiter bevorzugt zum Einstieg seine „Standardreihe“ (siehe Skizze): zwei Steilsprünge, dann ein Oxer. Der steht mit acht Metern recht „groß“ nach dem zweiten Steilsprung. Aber die weite Distanz ist bewusst gewählt, weil die Pferde zunächst lernen sollen, vorwärts zu springen. Um beim Rhythmus zu unterstützen, können später zusätzlich Bretter auf In-Out-Distanz auf den Boden gelegt werden, oder auch Cavaletti. Beim Aufbau bevorzugt Kools an den Sprüngen Planken mit einer Stange oben. „Sie bremsen das Pferd etwas, regen zum Nachdenken an“, das hilft, den Rhythmus zu finden.
Die Anforderungen werden im Verlauf des Springens stetig, aber dosiert gesteigert. Kopfloses Rennen, Hineinstürmen oder Gewaltsätze sind kontraproduktiv. Nur die Muskeln eines unverkrampften Pferdes, das losgelassen springt, können vom Freispringen profitieren. Ein verspannter Muskel steht einem positiven Trainingseffekt grundsätzlich im Weg.
Kools baut einen Rundkurs in seiner Halle auf. Die Pferde haben die kurzen Seiten und die Gegengerade zum Freilaufen, gesprungen wird an einer langen Seite. Der erste Sprung kommt dabei schon recht schnell nach der Ecke. So kommen die Pferde nicht ins Rennen oder können auch von Hand abgelassen werden. Unterstützt werden sie mit Stimme und Peitsche, wobei Ruhe – auch akustisch – ihm wichtig ist. Hektik und Lautstärke sind Gift – egal, wie viel Erfahrung das Pferd im Freispringen mitbringt.
Fehler – und dann?
Fehler passieren. Das Pferd hält an, Stangen fallen. Entscheidend ist, dass Pferde nach einem Fehler vertrauensvoll weitermachen. Der Ausbilder muss entscheiden, ob ein weiterer Durchgang sinnvoll ist. Wie es um die Kräfte bestellt ist – „dann lieber am Ende nochmal fast auf null“, so seine Empfehlung. „Das Pferd muss immer mit einem guten Gefühl die Halle verlassen.“
Kools ist kein Fan davon, mit Planen oder Decken über oder unter den Hindernissen zu arbeiten. „Diese Manipulation ist zu bewusst, ich möchte lieber mehr Vertrauen schaffen. Das Selbstbewusstsein soll wachsen, das heißt eben auch Loch für Loch zu steigern. Und: von Runde zu Runde entscheiden, niemals zu überfordern.“
Auch Dressurpferde können Nutzen aus dem Freispringen ziehen: Rückentätigkeit, Kraft, Abdruck und Koordinationsvermögen brauchen auch sie. Kools‘ Tipp: ein Wechsel von In-Outs und niedrigen Oxern. Der Trainingseffekt: Das Pferd macht sich am In-Out kurz und drückt ab, am folgenden Oxer muss es sich kurz machen, um sich daraus zu strecken, dann folgt wieder ein In-Out, usw.
Ich bin neu hier! Das erste Mal beim Freispringen
Jasper Kools führt den Youngster erst einmal an der langen Seite ohne Sprünge. Das Pferd soll mit ihm traben. Dann geht es im Schritt in die Sprunggasse. Die Hindernisse sind nur durch eine Stange oder Planke markiert. Das Pferd darf gucken und soll erst im Schritt, dann im Trab vertrauensvoll folgen. Jeder Fortschritt wird gelobt. Dann geht es ans Überwinden kleinster Sprünge, immer noch geführt. Das Pferd lernt zu springen und dass es nach dem letzten Sprung weiterlaufen soll. Dies aber nicht zu schnell. Helfer müssen rechtzeitig „bremsen“. Anschließend soll das Pferd allein über die immer noch wenige Zentimeter hohen Sprünge galoppieren. Genau beobachten muss der Ausbilder, wie viel Kraft noch in dem Anfänger steckt. Ein erschöpftes Pferd über die Stangen zu jagen, würde eben erst gefasstes Vertrauen gleich wieder zerstören. Das Pferd muss die Halle mit einem positiven Erlebnis verlassen. Pferde, die so an das Freispringen herangeführt worden sind, legen oft schon beim zweiten Mal eine große Selbstverständlichkeit an den Tag.
Kreuze für Freispring-Fortgeschrittene
Ein Freispring-Modell für Fortgeschrittene ist die In-Out-Reihe. So bezeichnet Experte Jasper Kools eine Kombination aus Kreuzen und Cavalettis, die nicht dazu da ist, um in die Höhe zu arbeiten. Trotzdem dient die Reihe eher der Feinabstimmung und ist deshalb nicht für absolute Anfänger gemacht. Dazu später mehr.
Die In-Out-Reihe wird mit einer auf dem Boden liegenden Planke eingeleitet. Darauf folgt das erste Kreuz, dann ein Cavaletti, weiter im Wechsel. Schlussendlich besteht die Reihe aus drei Cavaletti und vier Kreuzen. Auf das letzte Kreuz folgt erneut eine Planke am Boden. Die Abstände betragen gleichbleibend 3 Meter bis 3,5 Meter (siehe Skizze).
Durch diese Art des Aufbaus kann die In-Out-Reihe in beide Richtungen gesprungen werden. Wird das Pferd am Ende der Reihe eingefangen und gewendet, kann es also unmittelbar erneut durch die Freispringgasse geschickt werden. Man beachte: Trotz dieser Möglichkeit sollte das Pferd am Ende einer Reihe zur Ruhe kommen dürfen, um aus dieser Ruhe heraus die ihm gestellte Aufgabe erneut anzugehen.
Sinn und Zweck der In-Out-Reihe ist es, die Pferde mittiger über den Sprung zu leiten. Für diesen Effekt sorgen die Kreuze, bei denen der tiefste Punkt des Sprungs genau in der Mitte liegt. Unerfahrene Pferde orientieren sich insbesondere bei ihren ersten Freispring-Erfahrungen jedoch oft an der Bande, sagt Jasper Kools. Unabhängig davon, an welcher Stelle das Hindernis am einfachsten zu überwinden ist. Bei den ersten Malen sollten deshalb keine Kreuze aufgebaut werden, da die unerfahrenen Pferde eher am Rand, damit über den höchsten Punkt der Stange und höher springen, als für den Anfang von ihnen verlangt werden sollte. Für einen behutsamen Einstieg ins Freispringen deshalb lieber auf Kreuze verzichten und stattdessen Cavaletti, kleine Steilsprünge und schmale Oxer aufbauen.
Eine Reihe für mehr Kraft
Oft dient Freispringen als nette Abwechslung zum Hallentraining im Winter. Für echte Freispring-Profis kann es jedoch auch intensives Krafttraining sein. Ist das (Selbst-)Vertrauen nämlich erstmal da und das Pferd weiß, was es in der Freispringgasse zu tun hat, können kleine Änderungen einen großen Effekt bewirken. Die dem Pferd gestellten Aufgaben werden schwieriger, unterschiedliche Fähigkeiten trainiert.
Die dritte Reihe, die Jasper Kools aufbaut, ist deutlich kürzer als die Universalreihe oder die In-Out-Reihe. Wobei „In-Out“ auch hier das richtige Stichwort ist. Die Reihe beginnt mit einer am Boden liegenden Planke, dann folgen drei In-Outs. In diesem Fall bestehend aus drei Steilsprüngen. Der letzte Sprung ist ein Oxer, zu dem das Pferd einen Galoppsprung Platz hat. Auf dem Weg zum Aussprung liegt mittig eine Rhythmusplanke am Boden (siehe Skizze).
Sowohl bei der Universalreihe als auch bei der In-Out-Reihe hat das Pferd eine Menge Platz, um sich zu strecken und Schub nach vorne zu entwickeln. Ist dieser Schub da, wird dem Pferd mit dieser Reihe wieder Platz genommen. Durch die schnelle Abfolge der Hindernisse ist es erforderlich, dass das Pferd Last aufnimmt und kräftig abfußt. Es entwickelt Sprung- und Tragkraft. Wichtig ist dabei zu beachten, erst an der Schubkraft zu arbeiten, dann an der Tragkraft. Deshalb ist diese Reihe nur für Pferde geeignet, die das Freispringen kennen und können.
Wenn man diese Reihe regelmäßig ins Freispringen einbaut, dient sie nicht nur dem Training, sondern auch der Leistungsüberprüfung. Sprung- und Tragkraft werden gleichermaßen gefördert und abgefragt.
Jan Tönjes, Tina Gummar
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