Im Hals stecken geblieben: Schlundverstopfung beim Pferd

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Den Kopf und Hals weit nach vorne strecken und plötzlich Husten: nur zwei von mehreren typischen Anzeichen für eine Schlundverstopfung beim Pferd. (© slawik.com)

Bei einer Schlundverstopfung muss schnell gehandelt werden, sonst drohen weitere Komplikationen wie eine Lungen­entzündung. ­Pferdebesitzer müssen dennoch Ruhe ­aus­strahlen, denn Stress verschlimmert das Problem. Wie es zu der Notsituation kommen kann, welche Anzeichen für eine Schlundverstopfung beim Pferd sprechen und was zu tun ist, bis der Tierarzt eintrifft, erfahren Sie in diesem Artikel.

Eigentlich war es nur gut gemeint, als eine Art Belohnung. Nach dem Training bekommt Stormy noch einen Eimer mit eingeweichten Rübenschnitzeln. Doch schon nach einer Minute stockt der Wallach beim Fressen, lässt das Futter liegen und streckt den Hals nach vorne. Er tritt auf der Stelle hin und her und man sieht deutlich, dass etwas nicht stimmt. Stormys Besitzerin ruft sofort ihren Tierarzt an, der den Verdacht auf eine Schlundverstopfung ausspricht.

Bis er im Stall ist, soll Stormy auf keinen Fall saufen oder fressen und ruhig gehalten werden – seine Bezugsperson soll bei ihm bleiben, aber nicht der halbe Stall um ihn herumtanzen. Wenn möglich soll er den Kopf tief halten, damit Futterpartikel nicht von der Speiseröhre in die Luftröhre übergehen. Ganz vorsichtig kann Stormys Besitzerin seine linke Halsseite massieren und so versuchen, die Verstopfung zu lösen. Hier ist Gefühl wichtig, denn mit zu viel Druck kann man die Speiseröhre verletzen. 

Mittlerweile kommt aus der Nase Schleim mit kleinen Brocken – typisches Symptom bei einer Schlundverstopfung: Futterbrei aus der Speiseröhre, der durch die Verstopfung nicht mehr ablaufen kann, sucht sich seinen Weg nach oben. Häufig sind darin Futterpartikel zu erkennen. 

Schlundverstopfung: die Ursachen

So wie bei Stormy gehören nicht ausreichend eingeweichte Trockenschnitzel zu den Hauptursachen für eine Schlundverstopfung, das bestätigt Dr. Katharina ­Fischer, die relativ häufig zu diesem Problem gerufen wird. „Oft werden Schlund­verstopfungen durch quellende Futtermittel wie Rübenschnitzel aber auch Pellets, die nachquellen, verursacht.“ In der Speise­röhre dehnen sie sich dann aus und bleiben stecken. Ein weiterer Risikofaktor beim Futter: klein geschnittene Äpfel oder Möhren. „Die Pferde schlucken diese im Ganzen herunter ohne zu kauen“, weiß die Tierärztin. Besonders betroffen sind Pferde, die hastig fressen und alte sowie junge Pferde mit Zahnproblemen bzw. im Zahnwechsel. Dann können auch Stroh und Heu im Hals stecken bleiben.

In seltenen Fällen ist es nicht nur Futter, das Tierärzte bei einer Schlundverstopfung in der Speiseröhre finden, sondern auch Holzteile, Einstreu oder andere Fremdkörper. Und in einigen Fällen ist auch eine Vorerkrankung Auslöser des Problems: wie Verengungen, sackartige Wandausbuchtungen oder eine Entzündung der Speiseröhre. 

Typische Anzeichen einer Schlundverstopfung

• Das Pferd hört plötzlich mit dem Fressen auf.
• Es streckt Kopf und Hals nach vorne.
• Es wird unruhig, scharrt und zeigt eventuell Anzeichen einer Kolik.
• Aus der Nase tritt schleimig-schaumiger Nasenausfluss vermischt mit Futterpartikeln.
• Das Pferd hustet plötzlich, wobei aus dem Maul und den Nüstern Futterbestandteile kommen können.

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So hilft der Tierarzt

Die Speiseröhre ist ein 1,5 Meter langer Muskelschlauch, durch den das Futter innerhalb von 15 bis 20 Sekunden durch wellenartiges Anspannen der Muskulatur in den Magen geschoben wird. Um das Futter herum sind die Muskeln in der Speiseröhre entspannt, vor dem Futter sind sie angespannt. Ist ein Bissen oder der Futter­brocken zu groß, kann es passieren, dass sich die Muskeln rund ums Futter verkrampfen, der Weitertransport ist gestört. 

Verstopfungen, die im Halsbereich liegen, können meist von außen ertastet werden. Manchmal kann man sogar eine Beule erkennen. Steckt das Futter weiter unten in der Speiseröhre fest, zum Beispiel auf Höhe der Brust bzw. des Zwerchfells, ist eine Unter­suchung mit einer Nasenschlund­sonde notwendig. 

Das können Sie tun, bis der Tierarzt kommt

• Ihr Pferd darf nichts saufen und fressen!
Vermeiden Sie Stress und beruhigen Sie Ihr Pferd! Eine Bezugsperson sollte bei ihm bleiben.
• Ihr Pferd sollte den Kopf tief halten. So vermeiden Sie, dass Futterpartikel in die Lunge geraten.
• Ganz vorsichtig können Sie die linke Halsseite massieren und versuchen, dadurch die Verstopfung zu lösen. Achtung: Nicht viel Druck ausüben, sonst besteht Verletzungsgefahr. 

Die Entscheidung, ob das Pferd in eine Klinik gebracht werden muss, sollte der Tierarzt individuell vor Ort treffen, rät Dr. Katharina Fischer. Der Tierarzt spritzt zunächst – nachdem er sich ein Bild vom Zustand des Pferdes gemacht hat – ein krampflösendes Medikament, das die Muskeln entspannt. In leichten Fällen reicht dies schon aus, um die Verstopfung zu lösen. Meistens jedoch ist die Behandlung mit einer Nasenschlund­sonde nötig. Hierfür wird das Pferd zunächst sediert. „Auch wenn die Symp­tome dank der Medikamente bereits weniger werden, ist in der Regel eine Nasenschlundsonde hilfreich. Denn manchmal fließt der Speichel schon wieder in den Magen ab, aber feste Futter­brocken stecken weiterhin fest. Mit der Sonde kann man feststellen, ob der Durchgang tatsächlich wieder frei ist bzw. wo das Futter feststeckt. Dann wird versucht, die Verstopfung durch Wasser frei zu spülen, was besonders bei quellenden Futtermitteln gut funktioniert. Bei soliden Futterbrocken (zum Beispiel Möhren- oder Apfel­stücken) kann man versuchen, das Futter bis in den Magen weiterzuschieben. Manchmal kann man auch etwas Öl verwenden, damit das Futter besser rutscht“, schildert die Tierärztin die Behandlung.  

In besonders schweren Fällen, wenn sich die Verstopfung nicht mit der Nasen­schlundsonde lösen lässt, muss operiert werden. „Eine Operation wie das Eröffnen oder Freilegen der Speiseröhre muss in der Klinik durchgeführt werden und ist der letzte Ausweg, denn ein solcher Eingriff ist häufig mit Komplika­tionen verbunden. Es entstehen oft Narben in der Speiseröhre.“ 

Je schneller man reagiert, desto geringer die Komplikationen.

Dr. Katharina Fischer

Aufpassen in den Tagen danach!

Ob es nach einer Schlundverstopfung zu Komplikationen kommt, hängt von vielen Faktoren ab. „Je länger die Verstopfung andauert, desto gestresster wird das Pferd. Das löst Mechanismen im Körper aus, die Spätfolgen haben können. Außerdem kann man sagen: Je unruhiger das Pferd war und je kleinteiliger das Futter, desto wahrscheinlicher ist es, dass Futterpartikel in die Lunge gelangt sind“, erklärt Dr. ­Fischer. Dann droht eine Lungenentzündung. Deswegen gibt die Tierärztin bei solchen Pferden prophylaktisch eine Woche lang Schleimlöser. Außerdem kommen je nach Befund Antibiotika und Entzündungshemmer zum Einsatz. Regelmäßig Fieber messen gehört ebenfalls zum Pflicht­programm. „Wenn es möglich ist, ist eine Endoskopie sinnvoll. Diese hat den Vorteil, dass man nicht nur erkennt, ob Futterreste in die Luftröhre gelangt sind, man kann auch Schäden an der Speiseröhre erkennen und entsprechend behandeln.“

Stormy hatte Glück: Da er sehr ruhig war und das krampflösende Medikament gut anschlug, konnten die Rübenschnitzel schon nach 15 Minuten Spülen aus der Speiseröhre entfernt werden – manchmal dauert diese Prozedur Stunden. Vier Stunden nach der Behandlung darf Stormy das erste Mal wieder saufen, nach sechs bis acht Stunden bekommt er sehr flüssiges Mash. Eine Handvoll nasses Heu ist nach acht Stunden erlaubt. „Je früher die Pferde wieder angefüttert werden, desto besser ist dies für das restliche Verdauungssystem“, rät Dr. Fischer. Nach dem vorsichtigen Anfüttern darf ein Patient nach 24 Stunden eine normale Portion nasses Heu bekommen und weiterhin sehr flüssiges Mash. Diese Kombination sollte zwei bis drei Tage lang gefüttert werden.   

So beugt man einer Schlundverstopfung vor

Pferden, die ihr Futter zu hastig herunterschlingen, sollte man Ruhe beim Fressen gönnen. Rangniedrige Pferde füttert man am besten separat, damit sie ihr Futter ohne Stress und langsam fressen können. Ausreichend Raufutter ist wichtig, damit die Tiere nicht Einstreu wie zum Beispiel Holzspäne fressen.

Äpfel und Möhren dürfen nicht klein geschnitten werden, um das unzerkaute Herunter­schlucken zu vermeiden. Das Pferd sollte zum Kauen animiert werden. Ganz wichtig: ein Mal im Jahr die Zähne kontrollieren lassen. Vor allem bei alten Pferden und bei jungen Tieren treten häufig Probleme auf. Des­wegen: Bei jungen Pferden im Zahnwechsel den Fachmann rufen und Zähne kontrollieren lassen, ab einem Alter von 15 Jahren halbjährliche Zahnkontrolle. Gerade bei alten Pferde, die Probleme mit den Zähnen haben, werden oft Rübenschnitzel gefüttert. Diese sollten aber mindestens 8 bis 12 Stunden eingeweicht werden, damit sie nicht in der Speiseröhre nachquellen. 

Stormy wird in Zukunft keine Rüben­schnitzel mehr bekommen, sondern Malzbier – ein Tipp von Dr. Fischer. „Malzbier hat nämlich genauso viele Kalorien wie Rüben­schnitzel, ist in Bezug auf eine Schlundverstopfung aber nicht so riskant.“ 

Unsere Expertin

Die Tierärztin Dr. Katharina Fischer promovierte zu dem Thema „Untersuchungen zu Ursachen, klinischem Verlauf und Komplikationen der Schlundverstopfung beim Pferd“ an der Klinik für Pferde der Justus-Liebig-Universität in Gießen.
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Kerstin WackermannRedakteurin

Die Redakteurin hinter den großen Ratgeberthemen. Expertin für Pferdemedizin, von Atemweg bis Zysten. Gut vernetzt mit Tierärztinnen und Tierärzten, Universitäten, Hochschulen, Experten und Sachverständigen ist sie die Fachjournalistin, die sich auch seit mehr als 20 Jahren beim St.GEORG mit Pferdehaltungsthemen intensiv auseinandergesetzt und dazu recherchiert hat.