Moment mal! Das Duell der alten weißen Männer

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Bei der Generalversammlung des Weltreiterverbandes FEI in Antwerpen verabschiedeten sich Westernreiter und die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) voneinander. Es gibt noch eine Übergangszeit von zwei Jahren, dann wird man wieder getrennte Wege gehen. Bei Europameisterschaften, vor allem aber bei Weltmeisterschaften wird die Disziplin Reining künftig fehlen. Das heißt einigen wird sie fehlen, anderen nicht. Denn die „Cowboys“ hatten in der FEI nicht nur Freunde.

Der Ton in Antwerpen war von ausgesuchter Höflichkeit, erinnerte ein bisschen daran, wenn Amerikaner und Chinesen miteinander kommunizieren, mit gewählten Worten, aber eiskalt in der Sache. Man versicherte sich gegenseitiger Wertschätzung, doch die Scheidung war abgemacht, die Bedingungen ausgehandelt. Wie bei einem Ehepaar, das es 20 Jahre lang miteinander ausgehalten hat, aber jetzt auf möglichst zivilisierte Art und Weise Tschüss sagen will. So richtig passten die Westernreiter und die „Englischreiter“, wie die klassischen Pferdesportdisziplinen in völliger Verkennung der historischen Tatsachen in Reining-Kreisen genannt werden, nie zusammen. Das fing schon mit dem Outfit an, auf dem Kopf der uramerikanische Westernhut à la John Wayne, gegenüber dem sturzsicheren Helm, den sich ja selbst die Dressurreiter inzwischen auf den Kopf stülpen müssen. (Weil Dressurreiter so oft im Viereck runterfallen!?!)

Es ging weiter mit einigen gewöhnungsbedürftigen Lektionen, wie dem Spin, dem rasenden Kreiseln auf der Stelle, wo einem schon beim Zuschauen schwindelig wird, wenn man aus einem anderen reiterlichen Kulturkreis kommt, oder dem Sliding Stop, bei dem die Hinterbeine steif in den Boden gerammt über eine möglichst lange Strecke schliddern. Aber jeder musste zugeben, dass die Westernpferde zwar scharf gezäumt, aber mit leichten Zügelhilfen geritten werden und den Reiterhilfen so bedingungslos gehorchen, dass unsereins ganz neidisch werden kann.

Der Traum von Olympia

Am Ende ging es aber um ganz andere Dinge, an denen die Beziehung zerbrach. Schon der Anfang trug das Scheitern in sich: Es war keine Liebesheirat, die Westernreiter wollten mit dem Vehikel FEI, dem einzigen vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannten Pferdesportverband, auf die internationale Bühne fahren. Sie träumten sogar von Olympia, aber diese Vision scheiterte bald an der Realität. Die FEI kann froh sein, wenn der Pferdesport mit seinen drei Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit in der olympischen Familie bleiben darf, für weitere Esser am Tisch ist kein Platz. Die FEI ihrerseits, wollte Reiter aller Länder mit möglichst vielen Flagge in die Arme schließen, sah eine Möglichkeit den Pferdesport breiter aufzustellen in der Weltöffentlichkeit, aber ein olympischer Rosengarten wurde den Reinern nie versprochen.

Wir Pferdesportjournalisten trafen die Reiner aus Übersee ausschließlich bei Weltreiterspielen, wo sie auf Podiumsplätze abonniert waren: häufig schwergewichtige Männer auf ziemlich kleinen Pferden, das Gegenbild von durchtrainierten Sportlern, aber ein Trump-artiges Ego vor sich her schiebend. Da machten ihre europäischen Mitbewerber schon bessere Figuren.

Schon sehr bald wurde klar, dass der äußerst selbstbewusste US-Dachverband der Reiner, die National Reining Horse Association (NRHA), nicht vorhatte, mit dem Eintritt in die FEI auch nur ein Quäntchen seiner Macht abzugeben. Das „N“ heißt in diesem Fall nämlich die ganze Welt, der Anspruch auf Weltherrschaft prallte gegen FEI-Vorstellungen, dass jedes Mitglied sich an dieselben Regeln halten muss, wenn es mitspielen will, wie bei anderen Clubs auch.

Dabei ging es um zwei Punkte, das Alter der Pferde und die Beachtung des strengen Medikations- und Antidopingsystems der FEI. Beides hat was mit Tierschutz zu tun. Im US-Reiningsport sind vorwiegend drei- vier- und fünfjährige Pferde in den höchstdotierten Wettkämpfen am Start, die mit bis zu einer Million Dollar dotiert sind. „Das ist ein Riesenwirtschaftszweig in den USA“, sagt Joachim Zangerle, der erste Vorsitzende der NRHA Deutschland, mit rund 3000 Mitgliedern der zweitgrößte Verband nach dem US-Verband mit rund 15.000 Reinern. Das klingt nicht viel, aber hinzu kommen in den USA weitere Westerndisziplinen und starke Zuchtverbände. Zangerle bedauert die Trennung vom Weltreiterverband, durch den Anschluss an die FEI wurden neue Altersklassen für ältere Pferde eingeführt. Bei FEI-Championaten mussten die Reining-Pferde mindestens sechs Jahre alt sein, was immer noch sehr jung ist. In den olympischen Disziplinen beträgt das Mindestalter acht Jahre, bevor Höchstleistungen von den Pferden gefordert werden dürfen. Und viele Reiter starten ihre Jungstars auch dann noch in den Youngster-Klassen. Was die Medikations- und Antidopingvorschriften angeht, so werden sie in der Vereinbarung zwischen FEI und NRHA nicht, wie noch im ersten Entwurf, übernommen, sondern nur „teilweise“. Vielleicht. Und gewiss nicht durch strengere Regeln ersetzt.

„Insgesamt haben unsere Reiter jetzt weniger Startmöglichkeiten“, sagt Zangerle. Die deutsche Westernszene ist kompliziert und ein bisschen unübersichtlich, da gibt es neben der NRHA, die sich ausschließlich dem Reining widmet, quasi der Westerndressur, die Erste Western Union (EWU), die als einziger Verband der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) angeschlossen ist und alle Westerndisziplinen umfasst. Daneben gibt es eigene Verbände für verschiedene Westernrassen, wie Quarter Horses oder Paint. Fast alle veranstalten eigene Turniere.

Auch Nico Hörmann bedauert den Ausstieg. Der deutsche Reining Meister 2010 und WM-Teilnehmer 2006, inzwischen Sportpsychologe und in der FN neben dem Reining auch für Distanzreiten und Paras zuständig, sagt: „Es ging nur um Macht, keiner wollte in irgendeinem Punkt nachgeben und am Ende wollte die FEI die Reiner loswerden.“ Er zitiert den FEI-Präsidenten Ingmar De Vos, der in einem Treffen gesagt hat, er habe nie verstanden, warum die Cowboys überhaupt aufgenommen wurden. Fazit: Es wollte nicht zusammenwachsen, was nicht zusammen gehört. Ob das den Pferden nützt, danach fragt ohnehin keiner.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Helmold Baron von Plessen

    Ein wiederum sehr lesenswerter interessanter Blog. Dem FEI Praesidenten, Igmar De Vos kann man m.E. nur beipflichten, wenn er sagt, dass er nie verstanden haette, warum man seitens der FEI, die „Cowboys“ ueberhaupt aufgenommen haette. Die FEI kann und will es ja auch garnicht, die FEI aller Pferdesportarten sein. Die Galopper gehoeren schliesslich auch nicht dazu. In den Bereichen Vielseitigkeit – Dressur – Springen und Gespannsport warten reichlich Aufgaben, die geloest werden muessen. Ueber das Vehikel FEI, sich eine Teilnahme an olympischen Spielen zu ermoeglichen hat nicht funktioniert und das ist gut so. Es gibt einfach Sportarten, die, eine lange, respektable Tradition habend, fuer mich nicht in’s olympische Programm passen. Dazu gehoeren, z.B. Kricket – Tennis – Golf – Polo ( was ja 1936 olympisch war, dann aber schnell wieder gestrichen wurde) und eben auch Reining. In diesem Sinne : Lasst den Reinern, was den Reinern ist und kehrt vor der eigenen Haustuer.


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