Moment Mal! Die Zukunft Olympias

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Nach den Spielen ist vor den Spielen – nur drei Jahre liegen diesmal zwischen den beiden Supersportfesten. Noch ist Reiten dabei, auch 2024. Über die olympische Zukunft des Pferdesports entscheidet auf lange Sicht das Image, das er von sich in der Öffentlichkeit zeichnet. Ist das Pferd der Partner oder das Sportgerät? In Tokio sah man beides.

Die olympische Flagge ist in Paris angekommen, dort wo in drei Jahren wieder Sportler aus aller Welt um Gold, Silber und Bronze kämpfen werden. Die Olympioniken, die Olympiasieger, sind wieder zuhause, wie auch wir, die wir sie als Reporter begleitet haben. Spätestens als ich am Münchner Flughafen von einem bayerischen Sicherheitsbeamten angeraunzt wurde, weil ich meine Klamotten nicht schnell genug aufs Band packte, war mir klar: Deutschland hat mich wieder. Wehmütig dachte ich an die stets höflichen, freundlichen Japaner. Ein bisschen davon wäre hierzulande doch auch ganz nett.

Die Koffer sind ausgepackt – der Alltag ist zurück. Welche Bilder werden bleiben von diesen sehr besonderen Olympischen Spielen in Tokio? Das Bild der durch die Kür tanzenden Dalera mit Jessica v. Bredow-Werndl. Das Bild von Julia Krajewski, die in unfassbarer Freude auf dem Podest auf und ab hüpft nach ihrem Sieg, der doch viel mehr war als ein sportlicher Erfolg sondern auch ein Sieg über die Schatten der Vergangenheit. Der Ritt von Peder Fredricson als letzter Starter im Nationenpreis auf All In, alles auf eine Karte setzend – noch nie habe ich ein Pferd aus einem solchen Tempo so springen sehen.

Was die Öffentlichkeit mitnimmt

Und dann das Bild der verzweifelten Annika Schleu im Modernen Fünfkampf, die vergebens versuchte, ihr Pferd Saint Boy in Bewegung zu setzen. Es war riesengroß abgedruckt in meiner Tageszeitung, die ich nach der Rückkehr vorfand, größer als die Bilder von Dalera und Amande de B’Neville und ich fürchte, es wird vielen Menschen genauso groß in Erinnerung bleiben.

Es tröstet nur wenig, dass es ja der Moderne Fünfkampf war, nicht „unser Reitsport“. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) und der Weltreiterband FEI dürfen nicht so tun, als ob sie das nichts anginge und sich mit windelweichen Statements herauswinden. Jeder Reitsport geht die beiden Verbände was an, die sich doch aus sonst gerne als Anwalt des Pferdes verstehen.

Für die Öffentlichkeit ist dieses Bild reiterlicher Wettkampf. Vor allem die militanten sogenannten Tierschützer, die am liebsten den Pferderücken zur Tabu-Zone für Menschen erklären würden, sind nicht an Differenzierung interessiert.

Jeder, ich sage jeder, der lange genug reitet und genügend verschiedene Pferde unter dem Sattel hatte, war schon mal in einer ähnlichen Situation wie Annika Schleu: Dass das Pferd nicht will wie der Reiter, dass es sich widersetzt, in einer Ecke oder am Ausgang quengelt und manchmal dafür auch seine guten Gründe hatte.

Ein versierterer Reiter hätte Saint Boy vielleicht zur Kooperation überreden können, vielleicht auch nicht. Das Pferd, das zwei Tage vorher unter seinem regulären Reiter den Kurs ohne Probleme gemeistert hatte, wirkte von Grund auf verstört und verunsichert.

Fünfkampf ohne Reitsport!

Solche Situationen wird es auch in Zukunft geben. Sie liegen im System – meist schwache Reiter auf Pferden, die der Veranstalter irgendwie besorgen konnte. Das Los entscheidet: Pech für den guten Reiter, der ein schwieriges Pferd bekommt, Glück für den mittelmäßigen Reiter, der von einem braven Pferd über den Kurs getragen wird. Ist das der Sinn des Leistungssports Fünfkampf?

Natürlich nicht und deswegen muss die Vabanque-Disziplin Reiten aus dem Fünfkampf verschwinden. Und mit ihr ein vorsintflutliches Reglement, nach dem ein Reiter erst bei der vierten Verweigerung und dem zweiten Sturz ausscheidet, in dem Pferde bis zu viermal unter vier verschiedenen Reitern gehen müssen, und ein Pferd das nicht „funktioniert“ von einem Korrekturreiter zur Ordnung gerufen werden kann. Wie soll denn das gehen?

Alles, was im Reitsport in den letzten Jahren zum Wohle des Pferdes eingeführt wurde, wird hier mit Füßen getreten. Die Disziplin Reiten beim Fünfkampf ist tierschutz-relevant und muss von FN und FEI so behandelt werden, schon aus eigenem Interesse, denn die Öffentlichkeit macht, wie gesagt, keinen Unterschied. Für die ist das Tierquälerei beim Reiten, ganz simpel. Alternativen gibt es für den Fünfkampf (Radfahren, Klettern), man muss sie nur wollen. Aber bei einem Verbandspräsidenten, der doch tatsächlich dem Tierarzt die Schuld an dem Desaster von Tokio in die Schuhe schiebt, ist die Hoffnung auf Wandel gering. Da hilft nur Druck von außen.

Heldinnen

Mit großer Freude bejubelte der Pressedienst der FN die Erfolge der Deutschen. Zu Recht. Man sprach von den erfolgreichen Reiter*innen. Das ohnehin schon alberne Gendersternchen vertuscht in diesem Fall, dass ausschließlich vier Frauen diese Medaillen errungen haben: Jessica von Bredow-Werndl, Isabell Werth, Dorothee Schneider und Julia Krajewski. Sie sind die Heldinnen und niemand sonst.JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite | cheapest air jordan 11

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.