Interview mit Isabell Werth zu Corona, Bille und Zottel, Satchmos 26. Geburtstag usw.

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Isabell Werth bei der Verabschiedung von Satchmo im Rahmen der Stuttgart German Masters 2011. (© Julia Rau)

Louise Parkes von der FEI-Pressestelle hat sich mit Isabell Werth über gestern, heute und morgen unterhalten und dabei herausgefunden, was Bille und Zottel mit Isabell Werth zu tun haben, welches die größten Glücksmomente der erfolgreichsten Reiterin aller Zeiten sind usw.

Isabell Werth, die erfolgreichste Pferdesportlerin aller Zeiten, trägt es mit Fassung, dass es ihr nicht vergönnt war, ihren Titel beim Weltcup-Finale in Las Vegas zu verteidigen und so einmal mehr Geschichte zu schreiben – in dem Fall als erste Reiterin, die viermal hintereinander die inoffizielle Hallenweltmeisterschaft gewinnen konnte.

Im Gespräch mit FEI-Korrespondentin Louise Parkes sagte Werth zur Corona-Krise: „Ich versuche das Beste aus all dem zu machen. Ich habe mehr Zeit, mich auf die jungen Pferde zu konzentrieren, mehr Zeit für die Familie, für alle Pferde, für den gesamten Stall, insbesondere jetzt, wo der Frühling da ist und es so viel zu tun gibt.“

Die Quarantäne-Situation erlebt sie so: „Auf unserem Hof leben drei Generationen. Meine Eltern sind wirklich noch sehr fit und ich hoffe, dass wir das Virus von ihnen fern halten können. Wir bemühen uns um Normalität, aber halten Abstand. Anfangs war es für meinen Sohn (den zehnjährigen Frederik) ziemlich schwierig, meine Eltern nicht besuchen zu können. Aber jetzt hat er sich daran gewöhnt und es ist okay.“

Louise Parkes sagt selbst: „Mein Q&A hat einen etwas anderen Verlauf genommen, als den, den ich eigentlich vorgesehen hatte. Ich war etwas verblüfft als ich gemerkt habe, dass die große Isabell Werth, im Sport bekannt als die „Queen“, genauso pferdevernarrt ist wie wir alle – besonders Mädchen. Auch sie war ein ponyverrücktes Kind und irgendwie lebt sie einfach ihren Traum.“

Helden

Die erste Frage war die, wer die Helden in Isabell Werths Kindheit waren.

Isabell Werth: „Alles begann mit den Bille und Zottel-Büchern, Geschichten über ein kleines Mädchen und ihr Pony. Ich liebte es, zu lesen. Bille war meine erste Heldin und ich wollte so sein wie sie! Mein Sohn Frederik spielt heute mit iPhone und iPad. Aber als ich in seinem Alter war, habe ich diese Bücher gelesen.“

Darauf Louise Parkes: „Es ist heute eine andere Welt.“ Isabell Werth: „Ja, obwohl es ganz sichere keine bessere ist.“

Werth fuhr fort: „Als es mit dem Reiten ernster wurde, habe ich zu den großen Namen aufgeschaut wie Reiner Klimke und Margit Otto-Crépin. Und als ich angefangen habe, mit Dr. Schulten-Baumer zusammen zu arbeiten, war Nicole (die vierfache Olympiasiegerin Nicole Uphoff, Anm. d. Red.) in seinem Stall. Es war auch die Zeit von Christine Stückelberger und Anne-Grethe Jensen – so viele großartige Reiter.“

Louise Parkes fragte sie, wie es sich anfühle, nun ein Vorbild für andere zu sein.

„Um ehrlich zu sein, darüber denke ich nicht nach. Es ist schön, wenn Kinder kommen und mir Fragen stellen – das berührt mich sehr, aber ich denke nicht darüber nach, warum sie das tun.“

Einflüsse

Wer waren die Personen, die Isabell Werth am stärksten beeinflusst haben?

„Während meiner Karriere war es ganz sicher Dr. Schulten-Baumer. Er hat mir beigebracht, wie man ein Pferd ausbildet und wie man es managt. Er hat sich immer Gedanken um die Zukunft gemacht und wie man mit unerwarteten Dingen umgeht. Von daher war ich ziemlich gut vorbereitet auf das, was später in meiner Karriere passiert ist. Als ich schließlich meinen eigenen Stall hatte, hat mir das eine gute Basis gegeben.“

„Und dann ist da natürlich Madeleine Winter-Schulze. Diese beiden waren und sind die wichtigsten Personen während meiner reiterlichen Karriere neben meinen Eltern, meinem Partner und meiner Familie.“

Auf die Frage, wer ihr im Hintergrund den Rücken freihält, sagte sie:

„Meine Familie, mein Lebensgefährte und meine Eltern waren immer mein Rückhalt. Mit ihnen kann über alles reden, den Sport und alles drum herum. Und auch wenn Wolfgang (Urban, ihr Lebensgefährte, Anm. d. Red.) keine Erfahrung mit Pferden hat, hat er Erfahrung im Management wegen seines Berufs und seines Unternehmens. Von daher hat er mir sehr geholfen.“

„Wenn es um den Alltag im Stall geht, ist es vor allem meine Pflegerin Steffi (Steffi Wiegard, Anm. d. Red.). Wenn es um die Turnierpferde geht, steht sie mir sehr nahe. Sie hat ein sehr gutes Auge und Gefühl für die Pferde. Dann sind da natürlich die Angestellten im Stall, meine Bereiter und Mary (ihre rechte Hand). Mit den meisten dieser Menschen arbeite ich seit mehr als zehn Jahren zusammen und es ist eine enge Partnerschaft.“

Die Pferde

Was ist es, was ihr am besten gefällt, wenn sie mit den Pferden zusammen ist?

„Mitten unter ihnen zu sein, mit ihnen zu arbeiten, einfach auf ihrem Rücken zu sitzen und in meiner eigenen Welt zu sein. Ich liebe es!“

Ob es auch etwas gibt, was sie nicht mag am Zusammensein mit Pferden?

„Nein, nur ist es in der Pferdewelt mit den Leuten manchmal schwierig! Man muss lernen, dass man nicht immer das sagt, was man sagen möchte, zu wissen, wann man besser den Mund hält! Das ist manchmal schwierig für mich und manchmal gelingt es mir auch nicht. Aber ich habe gelernt, besser darin zu werden“, schließt sie mit einem Lachen.

Die Pferde, die ihr am nächsten standen?

„Gigolo, Satchmo und jetzt Bella Rose waren die wichtigsten Pferde in meinem Leben. Derzeit habe ich auch Weihegold und natürlich liebe ich sie auch und wir hatten großartige gemeinsame Erfolge, aber das ist etwas anderes als beispielsweise mit Satchmo …“

Sie fährt fort von dem Hannoveraner Wallach zu erzählen, der sie 2006 zur Weltmeisterin machte und mit dem sie 2008 olympisches Silber in Hongkong gewann – unter anderem: „Als ich heute mit Weihegold von der Rennbahn kam, stand er auf der Weide. Ich habe ihr erzählt, dass wir heute (das Interview wurde am 18. April geführt, Anm. d. Red.) eigentlich unsere Kür in Las Vegas zeigen sollten, als Satchmo im Schritt herankam und mich daran erinnerte, dass er mit mir vor elf Jahren dort war (und damals Platz zwei belegte, Anm. d. Red.).“

„Ihn dort grasen zu sehen mit seiner Ponyfreundin Kelly, wie er herankam für einen kleinen Plausch und sich dann wieder dem Gras zuwandte, ohne irgendeine Sorge auf dieser Welt zu haben, und zu fühlen, wie Weihe unter mir passagierte, weil sie wirklich ,an‘ war, das ist für mich persönlich etwas ganz Besonderes. Sie genießt den Sport, er ist so glücklich im Ruhestand. Diesen Moment sieht niemand anders. Aber mich macht er so glücklich!“

Ob viele Pferde ihre Rente bei ihr genossen haben?

„Ja, alle! Satchmo ist jetzt der älteste. Er ist fast 26 und er hat im Mai Geburtstag, das werden wir feiern – vielleicht gibt es eine Corona-Party für ihn! First Class ist noch hier, und Fabienne, Anthony und Gigolo waren für eine so lange Zeit bei uns, bis sie 25, 26 und 29 Jahre alt waren. Es war wirklich wunderbar, sie so lange hier zu haben. Sie bis zu ihrem Tod bei mir zu behalten, das war und ist für mich sehr wichtig. Sie waren weit mehr für mich als einfach erfolgreiche Grand Prix-Pferde.“

„Die meisten von ihnen hatten rund zehn Jahre auf der Weide, nachdem sie zehn Jahre im Sport gelaufen sind. Auch Whisper, den jeder als mein ,Doping-Pferd‚ kennt (der Fuchs wurde 2009 positiv getestet, Anm. d. Red.) – aber es hat nie jemand gefragt, ob er noch lebt. Aber er lebt noch. Er ist nun 21 und zusammen mit meinen anderen Ruheständlern auf der Weide und wir kümmern uns um ihn wie wir uns um alle kümmern. Auch das ist etwas, das in meinem Herzen ist, aber das niemand sieht!“

Herausragend

Gibt es andere Spitzenpferde, die sie gerne geritten wäre?

„Margit Otto-Crépins Corlandus. Er war ein so herausragendes Pferd. Und Totilas – es wäre toll gewesen, zu fühlen, wie er zu reiten war – und natürlich Valegro und auch Mistral Hojris. Sie waren alle fantastisch!“

Das beste Pferd, das sie je geritten ist?

„Bella Rose! Sie ist das beste Pferd, das ich je hatte. Das Pferd, das alles kann und bei dem man immer das Gefühl hat, es geht noch mehr. Das macht sie zu etwas ganz Besonderem!“

Sie habe die Gabe, das Publikum mitzureißen, wenn sie Turniere reitet, ob sie sich auch vorstellen könnte, in einem anderen Leben eine Schauspielerin zu sein? 

„Nicht wirklich! Dafür muss man flexibel sein und in verschiedene Rollen schlüpfen können. Aber meine Rolle ist einfach, es ist Dressurreiten, es sind die Pferde – und ich liebe, was ich tue!“

Wie gefällt ihr die Zusammenarbeit mit den Medien?

„Man lernt Selbstvertrauen bei der Beantwortung der Fragen, manchmal mit mehr Humor, das hängt von der Situation ab. Aber wenn man zum 120.000sten Mal gefragt wird, wann man mit dem Reiten aufhört, jetzt wo man 50 Jahre alt ist und man weiß, sie schreiben über rund zehn Reiter, die 60 Jahre und älter sind, aber die fragen sie nie, wann sie aufhören …“

Der Joker

Wenn sich Johnny, Emilio, Weihe und Bella Rose über Sie im Stall unterhalten würden, was würden sie sagen?

„Johnny ist ein bisschen wie mein Sohn. Er würde sagen, lass sie mir doch sagen, was ich machen soll, ich mache sowieso das, was ich will! Aber wenn es darauf ankommt, sind wir ein Team. Er ist ein bisschen der Joker. Aber am Ende lieben wir uns wirklich!“

„Emilio wäre immer eher wie ein kleiner Junge, ein bisschen weniger selbstbewusst, aber er gibt immer sein Bestes.“

„Weihe – sie würde immer sagen, sag‘ mir einfach, was ich machen soll und ich mache es!‘ Kein Pferd ist wie sie. Sie kann so ruhig sein. Aber sie kann von einer Sekunde auf die andere umschalten von der kleinen netten Stute auf echte Kämpferin!“

„Bella ist stolz, sie ist eine wirkliche Lady. Sie weiß, wie gut sie ist und wie sehr ich sie liebe. Das einzige Problem ist, dass sie immer noch mehr will. Sie könnte vielleicht etwas sagen wie: ,Warum lässt sie mich nicht laufen, wie ich will? Ich könnte noch so viel schneller!‘ Man will einen kleinen Ausritt mit ihr machen und ein bisschen cantern, aber das ist ihr nie genug. Nach ein paar Metern will sie wirklich galoppieren!“

Wie geht sie mit ihren Emotionen unter Druck um? 

„Das ist eine Frage der Disziplin in dem Moment, und ich hatte in Dr. Schulten-Baumer einen wirklich guten Lehrer. Es gibt viele Fotos von mir, auf denen ich nach einem Erfolg vor Freude weine. Aber ich bin sicher, man wird keines finden, auf dem ich vor Enttäuschung weine. Wenn ich wirklich enttäuscht bin, mache ich das mit mir selbst aus. Und das liegt nicht daran, dass ich nun älter bin. Ich bin so seit ich 20 bin.“

Eine schwere Zeit

Was sagen Sie zu Leuten, die Ihnen erzählen, wie besorgt sie wegen der Pandemie sind und den Auswirkungen, die sie auf uns alle hat?

„Ich denke, es ist eine schwere Zeit, aber ich bin sicher, wir überstehen das und es wird kein so großes Desaster sein, wie manche derzeit denken. Aber ganz sicher, wird es die Lücke zwischen den Reichen und den nicht so wohlhabenden Menschen vergrößern, sogar in unserer kleinen Pferdewelt. Ich denke, auf die eine oder andere Art wird jeder verlieren. Das bedeutet noch mehr Verantwortung für die Menschen in Führungspositionen.“

„Vielleicht werden wir im September oder Oktober wieder Turniere reiten können, aber das wird davon abhängen, wie schnell ein Impfstoff gefunden wird. Das ist ein hoch ansteckendes Virus und es macht jedem große Angst. Ich hoffe, dass wir gegen Ende des Jahres ein Licht am Ende des Tunnels sehen.“

„Zum ersten Mal seit 30 Jahren sind die Gipfel des Himalaya aus der Ferne sichtbar. Es hat den Anschein, dass sich die Erde etwas von uns zurückholt. Die Natur hat uns etwas Wichtiges zu sagen. Wir müssen uns also beruhigen und merken, dass man auch ohne Flugzeuge, Autos und viel Business leben kann. Das Leben geht weiter – mit dem Virus oder ohne ihn. Es ist nur eine Frage, wie wir da durch kommen.“

Tokyo

Was denken Sie über die Verschiebung der Olympischen Spiele?

„Für viele Sportler, die ihre Karriere dieses Jahr beenden wollten, ist es schlimm. Für mich persönlich ist es Pech. Vielleicht wären die Pferde dieses Jahr in Bestform gewesen. Aber okay, jetzt müssen wir uns anpassen und für 2021 vorbereiten. Alle meine drei Pferde sind jung und fit genug, um nächstes Jahr gehen zu können, aber ich bin lange genug in dem Sport um zu wissen, dass zwischen jetzt und dann alles passieren kann.“

„Am Ende halte ich an meinem Traum fest, mit Bella zu den Olympischen Spielen zu gehen. Aber wir alle haben etwas sehr wichtiges in den letzten Monaten gelernt. Wir können unsere Hoffnungen und Träume haben … aber nichts ist wertvoller als unsere Gesundheit.“nike air jordan 1 factory outlet | JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite

Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.