Steve Guerdat: In Hamburg einreiten – „da fühlt man sich wie ein Kind in Disneyland“

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Steve Guerdat (SUI) in Hamburg 2023 (© @st.georgmagazin)

Zehn Jahre ist es her, dass Steve Guerdat in Hamburg das letzte Mal am Start war. Was ihn an Hamburg begeistert, wieso er glaubt, das beste Pferd seiner Karriere im Stall zu haben (und was er für Pläne damit hat), wie gut seinem Olympiapferd Venard eine dreimonatige Pause getan hat und wie sich die Neuzugänge Looping Luna und Caracho anfühlen, hat er in einem Hintergrundgespräch verraten.

Steve Guerdat in Hamburg – endlich mal wieder! Nachdem das Turnier nicht mehr Teil der Global Champions Tour ist, ist der Olympiasieger wieder nach Klein Flottbek gekommen. Seitdem es die Global Champions League gibt, an der er nie teilgenommen hat, war Steve Guerdat in Hamburg nicht mehr auf den Starterlisten zu finden.

2023 ist er mit drei Pferden nach Hamburg gekommen, einem Youngster, der noch etwas unorthodox springt, seinem Lieblingspferd Is-Minka und dem Olympia-erfahrenen Venard de Cerisy. Der ist die aktuelle Nummer eins im Stall und soll die CSI5*-Tour mit Steve Guerdat in Hamburg gehen.Der Wallach hatte nach Genf eine lange Pause. Drei Monate nach einer langen Saison. Pause heißt für den Schweizer Pause. „Kein Sattel drauf, nur Paddock und Weide“.

„Solche Plätze brauchen wir für unseren Sport“

Die Entscheidung, dass Steve Guerdat in Hamburg an den Start gehen würde, fiel ihm nicht schwer. Selten erlebt man einen Springreiter so von einem Turnier schwärmen. Wobei, und das zeichnet Steve Guerdat aus, er in seiner ruhigen, reflektierten Art schwärmt. Er weiß, wovon er spricht. Hier ist keiner, der dem Veranstalter zum Gefallen ein paar Statements über die Veranstaltung „raushaut“. Aus dem Olympiasieger spricht beinahe so etwas wie Hochachtung, wenn er von dem großzügigen Rasenplatz unweit der Elbe spricht in seinem leichtem Dialekt, der seine Heimat im französischsprachigen Teil der Schweiz verrät: „Diesen Platz, so etwas kann man nicht einfach machen, noch weniger kaufen. Die ganze Geschichte…“

Die Vögel zwitschern um die Wette rund um den kleinen Pavillon an der Pressestelle des Hamburger Derbys, in der Guerdat über den Turnierplatz spricht. Für einen Moment hält der Schweizer inne, scheint den Vögeln zu lauschen. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Das ist ein Turnier für die Pferde. Frische Luft, Pferde gehören in die Natur und nicht inmitten einer Stadt. Das sind unsere Wurzeln“.

Nach zehn Jahren wieder in Hamburg dabei. Ist das wirklich etwas Besonderes für einen wie ihn? Einen, der gerade vergangenes Wochenende im Schlosspark von Windsor Castle am Start war? Einer, der die Arenen der Welt kennt wie kaum ein Zweiter? Steve Guerdat muss keine Sekunden zögern bei der Antwort. Seine Entscheidung, bei Springen der Global Champions League nicht teilzunehmen, hat er nie bereut. Aber vermisst hat er exakt zwei Turnierplätze, „das hat mir zweimal im Jahr wehgetan, wo Madrid stattgefunden hat und Hamburg“. Viele andere Turniere seien austauschbar, Sandarena, drumherum ein paar weiße Zelte und auch die Hindernisse sähen sich häufig ähnlich. In Hamburg sei das anders. „Ich habe mich richtig gefreut als ich gehört habe, dass Hamburg seine eigene Identität wieder zurückgeholt hat“. Wieder huscht dieses Lächeln über das Gesicht von Steve Gurdat in Hamburg: „Wenn man da einreitet, dann fühlt man sich eigentlich wie ein Kind, das in Disneyland reinkommt.“

Kein Derby für Steve Guerdat in Hamburg

Bei aller Begeisterung für Platz und Tradition: Im Derby-Parcours am Sonntag wird man den Schweizer nicht erleben. Er hat zwar ein Pferd, das schon Erfahrungen in vergleichbaren Prüfungen hat. „Venard liebt Derbys“, verrät er. Aber der 14-jährige Franzose Venard de Ceresis ist aktuell noch die Nummer eins im Stall, soll in der CSI5*-Tour gehen. Das könnte sich schon nächstes Jahr ändern. Denn die Rolle als Nummer eins wird Venard bald abgeben. Dann könnte er und andere auch mal im Derby zu erleben sein. „Pferde wie Double Jeu, aber das sind alles Pferde, die ich momentan noch zu fest brauche für Nationenpreise und große Preise“, erläutert Guerdat.

Olympiasieger: „Ein Ausnahmepferd, etwas Spezielles“

Der Grund, warum Vernard möglicherweise im kommenden Jahr den Wall herunterkommen wird in Hamburg, ist zehn Jahre alt, braun und ein Selle Française: „Ich habe ein Ausnahmepferd, die heißt Dynamix de Belheme. Die ist glaube ich das beste Pferd, dass ich je hatte. Ich habe sie, seitdem sie fünfjährig ist und ich möchte dieses Jahr auf dem Championat mit ihr reiten.“ Der Blick geht also gen Mailand, Schauplatz der Europameisterschaften 2023.

Die Stute stammt aus dem Gestüt Elevage de Bélhème in der Normandie. Sie hat den bis 1,60 Meter erfolgreichen Calavaro Z-Sohn Grafton d’Arsouilles zum Vater. Er ist mittlerweile Wallach und für den Iran unterwegs. Dynamix hatte mehrere Fohlen, unter anderem von Querlybet Hero, Zirocco Blue und Paddock du Plessnis. Einige kamen per Embryotransfer zur Welt.

Dynamix kam fünfjährig nach dem Absetzen ihres Fohlens zu Steve Guerdat. Er schwärmt von der Calvaro Z-Enkelin ähnlich wie von Hamburg. „Nächstes Jahr habe ich glaube ich etwas ganz Spezielles“, sagt er mit Blick auf die Olympischen Spiele von Paris.

Und, ja, es ist wieder eine Stute. Eine wie Jalisca eine war, oder Bianca. Pferde, die Sportgeschichte geschrieben haben. Seine gefühlvolle Reitweise würde wohl gut dazu passen, sagt er. Das diskutiere er auch immer mit seinem Umfeld. Seine Frau, seine Pfleger würden da in ihrem Urteil übereinstimmen. „Andere Ställe sind voller Hengste, wir haben gerade zwei“. Und das sei schon viel, sagt der Schweizer.

Dynamix hat Steve Guerdat in Hamburg nicht dabei, sie soll kommende Woche in Rom gehen, dann den Nationenpreis in St. Gallen (SUI), La Baule (FRA) und Aachen. So der Plan. Venard kann sich dann auf andere Plätzen beweisen. Nach Genf hatte der Braune eine lange Pause. Drei Monate, längere Zeit ohne Sattel. Ein Unterfangen nicht ganz ohne Risiko. Denn Venard ist beim Aufsteigen alles andere als einfach. Aber die Pause hat ihm gut getan, das Springen zuhause – klein und ein paar Naturhindernisse, „die stehen auf meinem Platz“ – funktionierte wie zuvor. Das Aufsteigen sogar besser.

Is-Minka hat Steve Guerdat in Hamburg auch dabei. Die Stute, „mein Lieblingspferd“, soll diese Saison den Sprung in die höheren Prüfungen schaffen. Eine Frage des Selbstvertrauens. Zuhause ist sie schon „absolute Ausnahme“, im Parcours mache sie sich immer noch „etwas klein“. „Ich sage immer, wenn ich in den Parcours reinereite, verliere ich 50 Prozent von dem Pferd“. Aber, da ist sich der 40-Jährige sicher, „wenn sie am Sonntag wieder zuhause ist, wird sein etwas gelernt haben“. Ob sie denn auch dressurmäßiges Talent habe? Schließlicht entstammt sie derselben Familie wie Totilas? Steve Guerdat schmunzelt. Das habe er nicht gewusst, aber das sei eher nicht ihr Sport.

Die Vogel-Pferde

Nicht in Hamburg dabei, aber auch schon auf Turnieren am Start: Looping Luna und Caracho. Die Pferde, die bis vor kurzem noch unter Richard Vogel international unterwegs waren. Die Partnerschaft zu beiden werde immer besser, berichtet Guerdat. Looping Luna ging am vergangenen Wochenende in Windsor. Nur ein Passus im Reglement über vorm Nennungsschluss erbrachte gemeinsame Erfolgen verhinderte den Start im Großen Preis. Zuvor war die Stute in einem Zweiphasen-Springen fehlerfrei gegangen und hatte in einem 1,55 Meter-Springen lediglich einen Abwurf. Caracho war in Italien am Start. Die Entwicklung sei gut, es brauche eben Zeit, zusammenzuwachsen sagt Guerdat und konzentriert sich auf seine Starts in Hamburg.

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

  1. Anne

    Ein äußerst sympathischer Reiter, der seine Prinzipien hat. Ich bin gespannt auf die Entwicklung seiner Pferde. Danke Jan Tönjes für diesen Artikel!


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