DM Luhmühlen: Julia Krajewski Doppelführung, Klimke gestürzt, Summerland ausgeschieden

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LUHMÜHLEN – Longines Horse Trail 2023

Julia Krajewski mit Nickel v. Numero Uno, hier in Luhmühlen 2023 (© sportfotos-lafrentz.de)

Julia Krajewski steuert in Luhmühlen auf ihren dritten Deutschen Meistertitel nach 2018 und 2019 zu. Nach einem ereignisreichen Geländetag belegt sie im CCI4*-S die Plätze eins und zwei. Dritter ist derzeit Calvin Böckmann vor Christoph Wahler. Ingrid Klimke stürzte.

In Luhmühlen hat der Geländeritt das Ergebnis im CCI4*-S, gleichzeitig die Deutsche Meisterschaft Vielseitigkeit 2023, ordentlich durcheinander geschüttelt. Julia Krajewski liegt mit zwei Pferden in Führung, Ingrid Klimke stürzte im Stadion und die britische Over Night Leaderin Molly Summerland gab auf.

42 Pferde waren auf die 3.730 Meter lange Strecke gegangen. Der britische Parcourschef Mike Etherington Smith hatte 21 Hindernisse mit 35 Sprüngen für das Starterfeld bereitgestellt. 32 Pferde waren nach dem Nachmittag in Luhmühlen noch in der Wertung. Je fünf Paare gaben auf beziehungsweise schieden aus. Darunter auch zwei prominente Reiterinnen, die nach der Dressur führende Britin Molly Summerland und Ingrid Klimke.

Ingrid Klimke stürzt

Klimke und Siena Just do it wurde eine der Klippen des Kurses zum Verhängnis. Versetzt auf dem Springstadion stehende Hecken, unter deren Brückenbögen zusätzlich Wasser glitzerte. Klimke kam bereits nicht optimal zur ersten Hecke und traf dann auch nicht die Linie ideal. So musste Siena Just do it das Hindernis eher im mittleren, deutlich weiteren Bereich, überspringen und bekam nicht mehr die ausreichende Weite. Ingrid Klimke fiel über den Hals, landete aber so, dass sie Siena noch weggaloppieren sah. Die erste Reaktion der Reitmeisterin: „Kann passieren“. Die Münsteranerin führte ihr Pferd noch selbst aus dem Stadion. Anschließend wurde sie aber noch ins Krankenhaus gefahren. Mannschaftsärztin Dr. Katharina Egerling ist ebenfalls vor Ort. Sollte sich die 55-Jährige doch ernsthafter verletzt haben, stünde ihr Start beim CHIO Aachen auf Franziskus und damit möglicherweise die EM-Teilnahme in Frage. An dem Hindernis, 14c, gab es die meisten Verweigerungen, insgesamt sechs.

Stil-Geländeritt von Julia Krajewski in Luhmühlen

Hätte man einen Stilpreis zu vergeben, man hätte zwei Ritte aber nur eine Kandidatin: Olympiasiegerin Julian Krajewski zeigte sowohl mit Ero de Cantraie als auch mit Nickel, wie perfektes Geländereiten aussehen soll. Die Absätze tief und durchfedernd, der Rumpf stabil, die Pferde im Gleichgewicht. Mit dem Holsteiner Nickel gab es, wenn überhaupt, dann nur einen Schönheitsfehler: Zwei Sekunden über der Zeit kam der Numero Uno-Sohn ins Ziel. An seiner Führung (27,5) vermochte dieser „Mini-Makel“ nichts zu ändern. Mit dem Franzosen Ero de Cantraie blieb sie in der Zeit. Das Zeitlimit einzuhalten, gelang neben Krajewski in Luhmühlen noch vier anderen.

Krajewski, in Luhmühlen in einer Doppelrolle als Reiterin und Trainerin vieler der jungen Talente am Start, sagt über ihre Neunjährigen: „Die beiden waren richtig, richtig, gut. Sie haben nicht einmal gewackelt“. Der Führende, Nickel, „war das Spaßpferd für mich, Stockholm Indoor Vielseitigkeit, Jump and Drive in Aachen…“ Die Zeit ist nun wohl vorbei, denn, „der wächst mit seinen Aufgaben. Der ist so lässig losmarschiert, letztes Jahr noch Drei-Sterne, heute Vier-Sterne“. Julia Krajewski schwärmt von dem Holsteiner und empfiehlt, ihn nicht zu unterschätzen. „Manchmal ist er ein bisschen unauffällig, aber wenn man drauf sitzt, merkt man, der ist ein richtig gutes Pferd“. Nach einem Start in Strzegom 2022 habe sie zu Nickels Besitzer gesagt, „Stefan, den galoppiere ich jetzt mehr, baue ihn auf Richtung Top-Sport“. Gesagt, getan.

Auch der Franzose Ero, der in Frankreich 2021 noch „Zwei-Sterne gegangen“ ist, hat im letzten Jahr noch vor allem an Sicherheit gewinnen sollen. „In diesem Jahr hat das bei ihm Klick gemacht, das fühlt sich schon besonders an. Der hat ‘nen richtigen Motor drin“, so die Olympiasiegerin.

Für beide Pferde plant Krajewski nach Luhmühlen nun einen Start in einer CCI4*-L, um so das Qualifikationsergebnis zu erzielen, um damit theoretisch auch auf Championaten, 2024 also den Olympischen Spielen, an den Start gehen zu können. Aber primär setzt sie auf Amande de B’Neville, die allerdings nicht für einen EM-Start 2023 in Frage kommt.

In Luhmühlen ist Julia Krajewski zwar primär als Reiterin, aber die von ihr schon lange betreuten Schülerinnen und Schüler hat die Bundestrainerin auch weiterhin im Visier. „Da bin ich gerne mit Jerome und Emma vier Stunden Gelände abgegangen“, grinst sie. „Mir macht das Spaß, wie die sich entwickeln. Als Emma Brüssau ihre Fünf-Sterne-Rund heute fertig hatte, musste ich kurz mal weinen, mit Emma war ich schon bei der Pony Euro.“

Calvin Böckmann: Dritter bei Seniorenpremiere

„Zum Glück stehe ich noch gerade davor“, sagt Julia Krajewski und schaut in Luhmühlen in der Pressekonferenz auf einen weiteren Schüler von ihr: Calvin Böckmann. Von Platz zwölf hatte sich der noch amtierende Deutsche Meister der Jungen Reiter auf Rang drei vorarbeiten können. Zu seinem Dressurergebnis (31,8) kamen nach dem Geländeritt mit dem ehrgeizigen Holsteiner The The Phantom of the Opera keine weiteren Punkte. „Phanti ist eigentlich gut in der Dressur“, sagt der 22-Jährige. Gestern sei er „zwischendurch etwas frisch“ gewesen. Aber mit der Dressur sei er zufrieden gewesen. Und mit dem Cross Country heute noch viel mehr. „Phanti ist ’ne ziemliche Galoppmaschine, dass wir die Aufgaben gut lösen konnten, macht mich mega happy.“ Der Kurs habe höchste Konzentration gefordert und dass man die Pferde nach den längeren Galoppstrecken immer „wieder schließen konnte vor der nächsten Aufgabe“.

Dreamteam „Phanti und Calvin“

Sandra Auffarth hatte den Holsteiner in den Sport gebracht, dann hatte Stefanie Böhe den Fuchs kurz geritten. Seit Anfang letzten Jahres sind Böckmann und der Quo Vados-Sohn nun ein sportliches Paar, haben sich erst einmal auf Zwei-Sterne-Niveau einander angenähert. Mit Erfolg! Dass die beiden nicht schon etliche CCI4* gemeinsam bestritten haben, sah man heute nicht. Im Gegenteil. Böckmann kann das selbst noch nicht ganz fassen. „Das fühlt sich surreal an hier bei den Senioren zu sitzen. Letztes Jahr war ich noch als Zuschauer. hier Das macht mich selber etwas sprachlos“, sagt er.

Seine Trainerin Julia Krajewski lobt er in den höchsten Tönen. „Julia gibt Sicherheit. Wenn ich eine Idee habe, sagt sie auch schon mal, nee, nee das ist die falsche Idee“. Stilistisch sei sie sein Vorbild. Aber auch in ihrer Art, an den Sport heranzugehen: „Ich bin ein Mensch, der an jeder kleinen Schraube dreht, und so ist Julia auch, deshalb sitzt sie hier als Olympiasiegerin“. Aber sie sei auch streng.

Die derart gelobte Vize-Weltmeisterin muss sich ein paar Tränen wegwischen. Ja, sie sei streng als Trainerin, „weil ich denke, wir alten erfahrenen Reiter haben die Pflicht, den jungen nicht nur Reiten beizubringen, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich immer fair gegenüber dem Pferd verhalten, dass wir echte Horsemen und Horsewoman haben, die unseren Sport weitertragen.“

Christoph Wahler auf Bronzeposition

Auf dem vierten Platz rangiert Christoph Wahler mit D’accord, den er 2022 erstmals in Luhmühlen ritt. Der elfjährige Diarado-Sohn hat einen großen Sprung nach vorn gemacht. Gleichmäßig galoppierte der Hannoveraner über den Kurs, „auch wenn ich es ihm zwei-, dreimal etwas schwer gemacht habe“, gab sich der Mannschaftsweltmeister selbstkritisch (34,4). Er habe sich von der Euphorie seines großen Pferdes anstecken lassen.

Fünfte ist Nadine Marzahl mit Valentine v. Valentino (34,9). Dahinter rangiert mit der Belgierin Laura de Liederkerke-Meier und Hermione d’Arville die erste nicht-deutsche Kombination (35,0).

Einen weiteren Sturz gab es: Die Italienerin Susanna Bordone stürzte zwischen zwei Hindernissen. Sicherheitshalber wurde auch sie in ein Krankenhaus gebracht, war aber ansprechbar.

Die Ergebnisse der CCI4*-S Luhmühlen 2023 finden Sie hier.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).