Staubiges Heu – welche Erreger es enthält und wie diese auf die Pferdelunge wirken

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Hals über Kopf verliebt in gutes Heu – glücklich, wer das seinem Pferd bieten kann. (© www.slawik.com)

Haltungsbedingungen optimieren, gutes Heu – Schluss mit Husten. Wenn es denn so einfach wäre. Wir wollten wissen: Wie kann man den Teufelskreis aus stau­bigem Heu, Atemwegsproblemen und Medikamenten brechen? Welche Gefahren lauern überhaupt im Staub? Und: Wie bekomme ich Wunschheu? Den ersten Teil des großen St.GEORG Specials „Heu, Staub, Husten“ der Ausgabe 1/2022 lesen Sie hier.

Staub im Heu – eine Wolke voller Probleme

Eisige Temperaturen draußen, drinnen wird staubiges Heu gefüttert, ein Sonnenstrahl bringt es ans Licht: Staub ist überall. Die winzigen Partikel in der Luft stellen eine riesige Gefahr für die Gesundheit dar. Ein Giftcocktail, dem das Pferd ausgeliefert ist.

Wer Heuballen in der Stallgasse öffnet und aufschüttelt, verübt ein Attentat auf die Pferdelungen. Innerhalb von Sekunden verwandelt sich die Stallgasse in einen undurchsichtig vernebelten Gang. Die Folge: Mensch und Tier ringen nach Luft. Humanmediziner nennen das exogen allergische Alveolitis (EAA) – oder auch die „Farmerlunge“. In den Staubpartikeln lauern Schimmelpilze, Bakterien, Schmutzpartikel und Toxine (Giftstoffe organischen Ursprungs). 80 bis 90 Prozent der Staubbelastung im Stall kommen allein aus dem Heu. 

Wissenschaftler in den USA fanden heraus: Heu, das von meist feuchten Sommerweiden stammte, wies nicht nur mehr Schimmel und Keime auf, sondern auch deutlich mehr Pollen – Allergie-Alarm! Zumal viele der Problemstoffe alveolargängig sind, also in die feinsten Strukturen der Lunge eines Pferdes vordringen können.

Cocktail aus Keimen

Staub ist ein gefährlicher Cocktail aus Keimen. Die wohl bekanntesten Übeltäter sind die Schimmelpilze. Doch auch Milben, Hefen und Verschmutzungen aus Sand und Nagerkot finden sich in Futtermitteln. So sind es die Leptospiren im Mäusekot, die periodische Augenentzündung auslösen. Schlechtes Wetter, falsche Mäh- oder Lagertechnik und zu fest gepresstes Heu bieten den optimalen Nährboden für ungebetene Gäste. Neben der primären Verunreinigung am Feld durch Sand, Mutterboden oder mit Pilzen belasteten Gräsern können auch sekundäre Verunreinigungen hinzu kommen. Während der sechs bis acht Wochen Lagerungszeit („Schwitzphase“) vor dem Verfüttern des Heus, vermehren sich Mikroorganismen massiv und Keimzahlen steigen rasant. Die Restwärme und -feuchte gefällt vor allem Pilzen, Hefen und Bakterien. Nach den sechs bis acht Wochen sollen die Keime verschwinden. Doch bei nicht optimaler Lagerung vermehren sich die Übeltäter ungebremst weiter. Das Heu wird unbrauchbar. 

Pilze – Problem Nummer eins

Penicillium – das klingt nach Medikament und damit irgendwie nach Gesundheit. Doch im Gegenteil! Penicillium ist der häufigste Auslöser von Allergien und Atemwegserkrankungen und findet sich oft in verregnetem Heu oder auch Heulagen. Bei Feuchtigkeit und Wärme vermehrt er sich rasant und ist auch in Hausstaub und z. B. Getreide anzutreffen – auch für Menschen ein Gesundheitsriskio. 

Eine der häufigsten Schimmelpilzarten ist der Schwärzepilz, Cladosporium. Er wächst auf Laub und Pflanzen. Verschmutzt er die Gräser des Heus, plagen die Pferde allergische Reaktionen oder sogar eine Schimmelpilzallergie. 

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Es muss ja nicht gleich derartig auffallender Pilzbefall sein, aber Pilze sind ein Problem. (© St.GEORG)

Giftbomben im Raufutter

Eine besonders gefährliche Kategorie der ungebetenen Gäste im Raufutter sind die Pilze, die Mykotoxine bilden können. Diese Giftstoffe sind natürliche Stoffwechselprodukte vieler Schimmel-pilzarten und oft in Futtermitteln wie Heu oder Getreide anzufinden. Sie sind besonders hartnäckig. Aspergillus ist einer dieser Toxinbilder und für allergische Reaktionen in Organen, wie Lunge, Magen, Darm und Nervensystem verantwortlich. Besonders gefährlich wird es, wenn das Mykotoxin Aflato-xin gebildet wird. Es ist nachweislich krebserregend. Mehr noch: Kommt es zusammen mit dem in Heu enthaltenem Cumarin, entsteht eine gefährliche Reaktion. Cumarin verleiht dem frischen Heu seinen natürlich würzigen Geruch, man findet es auch in Datteln oder Zimt. In kleinen Mengen stellt es keine Gesundheitsgefährdung für Pferd und Reiter dar. Ist das Heu jedoch durch falsche Lagerung mit dem Verderbnispilz Aspergillus befallen, bildet sich aus der Kombination ein Stoff, der allgemein als Rattengift bekannt ist. 

Besonders gern in Heu, Stoh und Heulage siedelt sich der Stachybotrys an. Auch hier gilt: Selbst kleine Mengen in der Stallluft sind sehr ungesund, besonders bei Hautkontakt und Nahrungsaufnahme. Ist Raufutter von diesem Pilz befallen, hilft es nicht, nur verdorbene Teile wegzuwerfen. Sporen sind überall und selbst tote Sporen dieses Pilzes sind hoch giftig. Grippeähnliche Symptome, allergische Reaktionen und sogar innere Blutungen können bei der Aufnahme von Stachybotrys auftreten.

Tödlich kann es auch enden, wenn ein totes Tier (z. B. Mäuse etc.) ins Heu eingepresst wurde. Dann bilden sich sogenannte Botulismustoxine. Schon 50 bis 200 Gramm Heu, das unmittelbar neben dem Tierkadaver aus dem Ballen entnommen wird, können bei der Fütterung zum Tod führen. An Botulismus erkrankte Pferde sterben zu 90 Prozent. Trotzdem gilt: Entdeckt man einen Tierkadaver, sollte auf die Verfütterung des umliegenden Heus verzichtet werden.

Milben und Hefen

Ist Heu beim Pressen zu feucht gewesen oder kann es beim Lagern nicht noch schwitzen, ruft das zwei weitere Probleme auf den Plan. Warmes, feuchtes Milieu zieht Hefen und Milben an. Innerhalb eines Monats kann sich ihre Zahl unter solchen Bedingungen im Heu verdoppeln. Die Hausstaubmilbe kennt jeder allergiegeplagte Mensch. Doch auch Vierbeiner reagieren sensibel auf unterschiedliche Milbenarten. Die kleinen Krabbeltiere bzw. ihr Kot kann nicht nur allergische Reaktionen in der Lunge, sondern auch Probleme im Darm verursachen.

Hefen stellen weniger Probleme für den Atemtrakt des Pferdes dar, dafür machen sie dem Verdauungsapparat zu schaffen. Aufgasungen, Koliken, sogar Magenrupturen können auf zu viel Hefe im Futter zurückzuführen sein. 

St.GEORG/LUFA

Staubiges Heu – Das passiert in der Pferdelunge

Staub, Pilze, Pollen und Milben bedeutet für die Bronchien des Pferdes Schwerstarbeit und können enormen Schaden anrichten.

Die Atemwege des Pferdes sind ein ausgeklügeltes, doch sehr sensibles System. Sie sind aufgebaut wie ein Baum, der auf der Seite liegt. Über die Nüstern wird die Luft eingeatmet und dann über Nasengänge, Rachen, Kehlkopf und Luftröhre in die Bronchien und schließlich in die Lunge geleitet. Die Luftröhre ist sozusagen der Baumstamm, die Bronchien (linker und rechter Hauptbronchus) sind die starken Äste, die aus dem Stamm herauswachsen. Das Astwerk der Baumkrone wird dann aus den sich immer weiter und feiner verzweigenden Bronchien gebildet, die schließlich zu den noch feineren Bronchiolen werden. Diese enden in den Lungenbläschen, den sogenannten Alveolen, die damit gewissermaßen die Blätter des Baumes sind. Sie sind umschlossen von einem Netz feinster Blutgefäße, den Kapillaren. Zusammen bilden Lungenbläschen und Kapillaren die sogenannte „respiratorische Oberfläche“ – beim Menschen ca. 100 bis 140 Quadratmeter, beim Pferd ca. 1650 Quadratmeter! Sie ist verantwortlich für den Gastaustausch von den Alveolen ins Blut und zurück. Die rechte Herzkammer pumpt sauerstoffarmes und kohlen-di-oxid-reiches Blut in Richtung Lunge. Über die hauchdünne Membran, die die Lungenbläschen umschließt, nehmen die Lungenbläschen Kohlendioxid auf und geben gleichzeitig den Sauerstoff aus der Atemluft in das Blut zurück. Nun fließt das mit Sauerstoff angereicherte Blut wieder zum Herzen und wird von der linken Herzkammer aus im Körper verteilt. 

Staub bedeutet Dauerstress

Der Hauptreizfaktor der Pferdelunge sind organische Staubpartikel aus Stroh und Heu, Schimmelsporen und Milbenkot. Darauf reagieren Pferde äußerst sensibel, viel stärker als zum Beispiel auf mineralischen Staub, wie er durch Sand verursacht wird. Mit den organischen Staubpartikeln sind viele Pferde in Boxenhaltung täglich konfrontiert – ähnlich wie Menschen, die in einer mit Feinstaub belasteten Umgebung arbeiten. Und so, wie diese an einer sogenannten Staublunge erkranken, so entsteht auch Pferdehusten. Dr. Monica Venner, Expertin für Atemwegserkrankungen an der Tierklinik Destedt, sagt: „85 bis 90 Prozent aller Atemwegserkrankungen bei Pferden sind auf ungünstige Haltungsbedingungen zurückzuführen.“

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Ungünstige Haltungs-bedingungen und zu viel Staub sind die Hauptursachen für
Husten beim Pferd. (© www.slawik.com)

Staub bedeutet Dauerstress für die Atemwege. Dr. Monica Venner erklärt: „Die groben Staubpartikel, wie z. B. vom Paddock, werden schon in den Nasengängen – vorausgesetzt diese sind gut angefeuchtet – herausgefiltert. Aber der Mikrostaub aus Futter und Einstreu gelangt tief in die Atemwege hinein bis in die kleinsten Verästelungen. Hier haftet er sich an die sogenannten Flimmerhärchen an, die dafür verantwortlich sind, störende Elemente, die am Schleim kleben bleiben, wieder nach außen zu transportieren. Doch der Feinstaub setzt sich auf das Bronchienepithel (diese Schleimhaut der Bronchien besteht u. a. aus Zellen mit Flimmerhärchen), das unter Umständen schon vorgeschädigt ist – etwa, weil das Pferd als Jungtier in der Aufzuchtphase einen Virusinfekt durchgemacht hat, der unbemerkt geblieben ist.“

Je stärker die Bronchien vorgeschädigt sind, desto sensibler reagieren sie auf sogenannte Noxen, wie man Substanzen nennt, die einem Organismus Schaden zufügen können. Wird das Epithel gereizt, reagieren die Bronchien. Der erste Effekt: Die Glattmuskeln, die den Bronchus umhüllen, schließen diesen. Der Bronchus verengt sich, das Pferd bekommt schlechter Luft. Der Körper versucht, den Staub loszuwerden, das Pferd reagiert mit einem Hustenreiz. Die zweite Reaktion: Das gereizte Epithel vermehrt sich in unerwünschter Weise. Normalerweise setzt es sich aus einer einzigen Schicht Zellen zusammen, vorgeschädigte Epithelzellen hingegen bilden mehrere Schichten. Resultat: Auch hierdurch werden die Atemwege enger.

Die dritte Reaktion ist die Schleimbildung. Dass das Bronchienepithel Schleim produziert, ist eine Schutzmaßnahme und gut und gesund, so lange der Schleim so dünnflüssig ist, dass er durch die Flimmerhärchen abtransportiert werden kann. Doch die neuen Epithelzellen produzieren einen zähen, klebrigen Schleim, der durch die Flimmerhärchen nicht mehr abtransportiert werden kann, sondern sie wie Kleister überzieht, so dass sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Wenn das Flimmerepithel wie beschrieben bereits geschädigt ist, ist die Fähigkeit des Schleims vermindert. Der Schleim wird nicht abtransportiert, sondern bleibt in den Atemwegen, wodurch der Luftfluss wiederum beeinträchtigt wird. 

Dr. Venner warnt: „Wenn die Bronchien durch staubige Haltung jeden Tag und permanent mit diesen Vorgängen beschäftigt sind, entwickelt sich eine chronische Krankheit (equines Asthma, früher COPD oder RAO genannt) und es kann zu massiven Folgeschäden kommen (Dämpfigkeit), weil sich die Atemwege immer weiter verengen.“ 

Neue Auslöser für Equines Asthma

Jüngere Studien (2019) haben noch ein anderes, neues Problem ans Licht gebracht. Eines, das weniger mit Heu zu tun hat, sehr wohl aber die Pferdelunge zusätzlich belastet, sollten sich erste Ergebnisse bei weiteren Untersuchungen bewahrheiten: Latex. In vielen Reitböden zu finden. Dank eines neu entwickelten serologischen Microarray-Tests konnte das Allergen-Spektrum für Equines Asthma erheblich erweitert werden und eben neben Pilzen, Pollen und Milben möglicherweise auch Latex ausmachen.     


Unsere Expertin: Dr. Monica Venner

FEI-Tierärztin und seit über zehn Jahren an der Tierärztlichen Klinik für Pferde in Destedt tätig.

privat

Dr. Monica Venner (© privat)

Die weiteren Abschnitte des Specials „Qualität des Heus erkennen“ und „Wie man gutes, staubfreies Heu produziert“ können Sie demnächst hier auf st-georg.de nachlesen. Wer hingegen nicht mehr warten und dafür die Arbeit der St.GEORG-Redaktion unterstützen will, der kann die Ausgabe 1/2022 mit dem gesamten Special hier versandkostenfrei bestellen.

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Gloria Lucie AlterRedakteurin

Hat sich parallel zum Volontariat beim St.GEORG im Studium mit „Digital Journalism“ an der Hamburg Media School befasst. Als Redakteurin liefert sie Beiträge aus den unterschiedlichsten Bereichen, von Reitlehre bis zu Produktneuheiten. Ihre Erfahrungen aus Tätigkeiten bei privaten TV-Sendern in Köln ergänzen sich mit ihrer Kompetenz in Social Media und Videocontent.