EM Aachen: Hauchdünner Sieg für Charlotte Dujardin, Sensations-Silber für Kristina Bröring-Sprehe

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Rio de Janeiro könnte die Abschiedsvorstellung von Valegro sein. Der Multichampion ist seit 2012 ungeschlagen auf Championaten.

(© Rio de Janeiro könnte die Abschiedsvorstellung von Valegro sein. Der Multichampion ist seit 2012 ungeschlagen auf Championaten.)

Spannender hätte es nicht sein können! Mit 0,25 Prozent Vorsprung ist die Britin Charlotte Dujardin erneut Europameisterin geworden. Kristina Bröring-Sprehe gewann mit persönlicher Bestleistung Silber vor der Überraschungsdritten Beatriz Ferrer-Salat aus Spanien.

Da hielt das Publikum den Atem an! Zu der Filmmusik „Drachen zähmen leicht gemacht“ zeigte Charlotte Dujardin die Kür, mit der sie mit Valegro im Dezember 2014 einen neuen Weltrekord erzielt und auch in Las Vegas den Weltcup 2015 gewonnen hatte. Untermalt von keltischen Flöten und mal mehr mal weniger kräftigen Streichern plus Frauenstimmen, die vereinzelt für einen besonderen Effekt sorgen, zeigten die Olympiasieger zu Beginn äußerst gleichmäßige Passagen und Piaffen, bei denen die Geschmeidigkeit der Übergänge ganz besonders zu begeistern wusste. Takt ist die Grundlage allen Reitens. Das Gleichmaß von Valegro in allen Trabtempi sucht seinesgleichen, auch wenn er in der Passage hinten schon aktiver abgefußt hat. Bis zum Abschluss des Schritts lief alles nach Plan. Aber dann, der verflixte Galopp. Selten sind auf Europameisterschaften so viele Fehler in fliegenden Galoppwechseln aufgetreten. Und auch in dieser Prüfung patzte Valegro. Wieder, wie schon im Grand Prix, in den fliegenden Wechseln von Sprung zu Sprung. Diese konnte die Britin nicht mehr wiederholen, auf einer letzten Diagonale zeigte sie fehlerfreie Zweierwechsel, dann gab die Musik eine Galopppirouette vor. Die Einerwechsel damit also der Grund für ein Minus in der technischen Note, wobei die Serienwechsel anders als im Grand Prix nur in einfacher Wertung zählen. „Jetzt hat Valegro erst einmal drei Wochen Pause, dann schauen wir weiter und dann sehe ich zu, dass ich meine Einer wieder hinbekomme“, sagte Dujardin.

Valegros federnde und geschmeidige Piaffe-Passage-Tour ist immer wieder ein Punktegarant für Charlotte Dujardin. Foto: von Hardenberg

Valegros federnde und geschmeidige Piaffe-Passage-Tour ist immer wieder ein Punktegarant für Charlotte Dujardin. Foto: von Hardenberg

Dass es diesmal eng geworden war, fand sie nicht dramatisch. „Es wäre ja langweilig, wenn ich immer meilenweit vor den anderen wäre und ich habe dreimal vorne gestanden, obwohl ich dreimal Fehler hatte.“ Zum Schluss der Kür hatte die Britin noch einmal die gesamte Klaviatur ihres Könnens und des Talents von Valegro ausgereizt: aus einer Piaffe-Pirouette in die Passage-Traversale und zum Abschluss eine Piaffe-Pirouette mit zweifachem Richtungswechsel und einer 360-Grad-Drehung. Klingt kompliziert, ist es auch und klappte präzise. 89,054 Punkte gaben die Richter, 0,25 Punkte mehr als für Kristina Bröring-Sprehe. Das Publikum im schwarz-rot-goldenen Euphorietaumel pfiff, kein ganz feiner Zug.

Und in Rio klappt dann auch die Galopptour wieder fehlerfrei … Foto: von Hardenberg

Und in Rio klappt dann auch die Galopptour wieder fehlerfrei … Foto: von Hardenberg

So sehr sich Charlotte Dujardin gestern noch gefreut hatte, dass sie den geliebten letzten Startplatz zugelost bekommen hatte, so deutlich musste sie heute feststellen, dass es kein leichtes Unterfangen war, direkt nach Kristina Bröring-Sprehe ins Stadion zu reiten.

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

  1. Sascha Schlede

    Lieber Herr Tönjes,
    Ihre Leser schätzen Sie wegen Ihrer kompetenten Berichterstattung. Jedoch den 40.000 Zuschauern in Aachen objektives Urteilsvermögen und gutes Benehmen abzusprechen ist kühn. Wir wissen ja, dass Sie ein großer Fan von Charlotte und Valegro sind, aber die meisten sahen heute eher einen schlappen Valegro, der unter seinen Möglichkeiten blieb und zudem noch dicke Patzer hatte. Die Chefrichtern Frau Wüst war vermutlich auch im schwarz-rot-goldenen Euphorie-Taumel als Sie Valegro da sah, wo er heute wohl hingehört hätte: auf dem Silber-Rang. Und wenn man Charlotte nach ihrem Ritt ins Gedicht schaute, wusste sie es wohl auch selbst.

    • Charlotta

      Sehe ich ganz genau so! Valegro mühte sich durch die ganze Kür, da steckte wohl die Prüfung von Samstag noch in den Knochen. Da war nicht mehr viel Dynamik zu sehen und gerade im direkten Vergleich mit Desperados war der Unterschied extrem deutlich. Desperados sprühte vor Kraft und Energie und fußte immer energisch ab.

  2. Elke Gebhard-Biegel

    Ich habe auch auf der Tribüne in Aachen gesessen und ich kann Herrn Tönjes nur Recht geben. Ich zumindest habe mich für die pfeifende Meute hinter mir geschämt. Es ist unfair und unsportlich nach einem solchen Ritt zu pfeifen. Es hätte heute sicher auch einen anderen Sieger geben können, aber Charlotte hat sich die Noten ja nicht selbst gegeben. Außerdem haben wir in den letzten Tage schlimmere Richterurteile mit teilweise 10 Punkten Unterschied von Richter zu Richter gesehen und ich rede hier nicht von Totilas!
    Über das was da so zusammengerichtet wurde, konnte man sich schon manchmal aufregen, aber pfeifen hilft da wohl auch nicht weiter.

    • Sascha Schlede

      Die Pfiffe galten nicht dem Ritt, sondern den schwer nachvollziehbaren Richterurteilen. Bei der Siegerehrung hat Charlotte Dujardin den tosenden Applaus bekommen, der dem neuen Europameister gebührt, keine Pfiffe! Auch auf Ihrer großen Ehrenrunde ganz allein durch das Rund des Stadions wurden Charlotte und Valegro von 40.000 Zuschauern bejubelt. Vielleicht ist Ihnen und Herrn Tönjes dies entgangen…

    • Rike F.

      Es wurde nicht nach dem Rit gepfiffen (da gab es Applaus!), sondern nach Verkündigung des Urteils, als das Paar bereits ausgeritten war. Bitte dann doch bei den Fakten bleiben, auch wenn man am Ende dazu eine andere Meinung hat.

  3. Elke Gebhard-Biegel

    Na dann hätten Sie sich die Pfiffe besser bis zur Siegerehrung aufgehoben und an der Stelle eingesetzt, an der der Stadionsprecher immer den Richtern gedankt hat. Dann hätten die Dummen unter uns das auch besser verstanden….

    • Rike F.

      Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber exakt an dieser Stelle brach der Trubel erneut los. Die Reiterin selbst bekam enen großen, herzlichen und fairen Applaus. Hier hat das Publikum sehr wohl klar zwischen Reiterin und Urteil unterschieden!

  4. D Graf

    Es gab wohl in der ganzen Prüfung keinen Reiter der so fein anzuschauen war wie Kristina Bröring-Sprehe. Ein fein geführtes Pferd ( von Charlotte Dujardin kann man das leider auch nicht immer behaupten, da wird ganz ordentlich zugefasst) das sich locker , elastisch abfußend durch die Prüfung bewegte. Keine Kandare im rechten Winkel. Solche Reiter taugen zu Vorbildern! Und man hat eigentlich nur einen kurzen Blick auf das unverständlich schauende britische Team werfen müssen bei der Urteilsverkündung. Das sprach Bände…

    • S. Rink

      Diese Ansicht kann ich zu 100% teilen. Sie hätte gestern zu Recht gewinnen müssen. Das war mehr als deutlich. Nur denen, die darüber entscheiden, wohl nicht. Das ist eine Schande


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