Paul Schockemöhle zu Totilas‘ Tod: „Der interessanteste Dressurhengst der Welt“

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Totilas (2000-2020) und Paul Schockemöhle (© www.toffi-images.de)

Am Tag nach Bekanntwerden von Totilas‘ Tod hatte St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer Gelegenheit, mit Paul Schockemöhle über den „Wunderhengst“, der die Dressur verändert hat, zu sprechen.

Gabriele Pochhammer: Wann sind Sie das erste Mal aufmerksam geworden auf Totilas?

Paul Schockemöhle: Ich sah Totilas zum ersten Mal bei der Europameisterschaft in Windsor 2009. Er hatte eine unwahrscheinliche Präsenz, ein Pferd mit tollen Möglichkeiten. So einen Hengst hättest du gerne mal, dachte ich. Auch weil er einen guten Outcross für unsere Dressurpferdezucht darstellte, die ja etwas voll ist mit F- und D-Blut (Anm. d. Redaktion: Bezug auf die Stammhengste Florestan und Donnerhall).

Auch wenn es nicht alle wissen, ich habe mich immer nicht nur für Springen sondern auch für Dressur interessiert. Als ich den Oldenburger Springpferdezuchtverband International (OS) mitgründete, stand auch der Gedanke dahinter, dass der Oldenburger Zuchtverband sich dann  mehr auf Dressurpferde konzentrieren kann. Beides zu mischen bringt meiner Ansicht nach nichts. Dann hat man nachher Pferde, die weder das eine noch das andere gut können.

Ich liebäugelte also schon 2009 damit, Totilas zu kaufen, kannte auch die Besitzer, die Vissers, gut. Dahinter stand das Finanzunternehmen Eurocommerce, das unter anderem einen Springstall unterhielt, für den die Brüder Schröder ritten. Sie stellten auch ein Team für die Riders Tour.


Totilas in Zahlen

336.749 Euro

… hat Totilas lt. Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in seinem Leben im Viereck verdient.

45.557 Euro

… ist die Addition der Lebensgewinnsummen der in Deutschland erfolgreichen 180 bei der FN registrierten Totilas-Nachkommen.

Seine drei bislang erfolgreichsten Nachkommen im Deutschen Sport sind:

TOTAL HOPE OLD, Oldenburger Sohn von Weihegold, gezogen von Christine Arns-Krogmann und mit Isabell Freese Sieger im Finale des Nürnberger Burg-Pokal 2o19, weist bislang schon mehr als 10.000 Euro Lebensgewinnsumme auf. Er ist am Wochenende beim Finale des Louisdor-Preises auf dem Schafhof dabei.

BIRKHOFS TOPAS FBW, Baden-Württemberger Hengst, gezogen bei der ZG Simone und Martin Meder und wie sein mütterlicher Halbbruder Lord Leopold von Nicole Casper bis Grand Prix gefördert, hat 5.520 Euro verdient. Er ist Vater des gekörten Thapelo, Bundeschampionatsfinalist 2020.

TORONTO RAPTOR, ein Holsteiner Springpferd(!!) aus einer Corofino-Mutter (Z.: Anette Beckmann), kommt auf 5.514 Euro und war u.a. schon in Neumünster platziert mit Michael Ziems.

Bei 55 internationalen Starts 44 Siege

darunter

39 mal über 80 Prozent in internationalen Prüfungen

… davon fünfmal über 90 Prozent, alle mit Edward Gal im Sattel, darunter 91,8 Prozent in der Kür bei den Weltmeisterschaften in Kentucky 2010.

5 Goldmedaillen

Bei der EM in Windsor, Mannschaft und Kür sowie der WM in Kentucky (Mannschaft, Grand Rpix Special und Kür). 2010 gewannen Edward Gal und Totilas außerdem das Weltcup-Finale vor heimischem Publikum in s-‚Hertogenbosch.

25 Söhne wurden in Deutschland gekört

19 von ihnen sind, Stand 30.9.20, im Hengstbuch I der FN eingetragen. Zu ihnen zählen u. a. der niederländische Meister von 2020, Toto jr. (Hannoveraner, M. v. Desperados, Z.: Judith Schmidt), und der Wahajama-Sohn Thiago.
107 Stuten sind bei deutschen Warmblutzuchtverbänden als Zuchtstuten eingetragen.

Bis ins Jahr 1885

… lässt sich der Mutterstamm des Totilas mindestens zurückverfolgen. Er basiert auf einer Oldenburger Linie, die nach der Stute Freiminka benannt ist. Freiminka eine 1944 geborene Stute v. Godin-Rheinfürst gelangte nach dem zweiten Weltkrieg in die Niederlande. Dort brachte sie mehrere Nachkommen, auch einen gekörten Hengst. Ihre Tochter Aminka, geb. 1955 v. Camillus, ist die erste in den Niederlanden registrierte Stute in Totilas‘ Stammbaum. Aminka ist die Urururgroßmutter von Totilas. Diese Oldenburger Familie lässt sich zurückverfolgen bis zu einer Bruno-Tochter, die 1885 im Oldenburger Stutbuch eingetragen wurde.


In der Dressurszene war Eurocommerce weniger präsent…

Für den Dressurstall war Edward Gal der Reiter. Ich streckte also meine Fühler aus, aber Totilas war nicht im Handel, sie wollten ihn auf jeden Fall bis zur WM 2010 in Kentucky für die Niederlande halten. Diese Haltung änderte sich im Laufe des nächsten Jahres aus verschiedenen Gründen und Edward war klar, dass Totilas nach der WM auf dem Markt war. So konnte ich ihn kaufen.
Ich verkaufte die Sportrechte an Ann-Kathrin Linsenhoff, die Zuchtrechte blieben bei mir. Im Sport ging es ja mit Matthias Rath erst gut los, wenn auch nicht mehr so überragend wie mit Edward Gal. Nach seiner Verletzung 2015 kam Totilas dann zu mir nach Mühlen, er war ja bekanntlich lahm. Wir haben das dann auskuriert und er ist bei uns nie wieder lahm geworden.

Wie lautet das Fazit als Züchter?

Züchterisch dauert es natürlich ein paar Jahre, bis man ein Urteil fällen kann. Er hat ja in den ersten Jahren sehr viel gedeckt, dann nahm das Interesse ab. Ich habe erlebt, dass die Leute auf der Körung  von Toto Junior gepfiffen haben, weil sie meinten, der Hengst würde nur wegen seines berühmten Vaters gekört. Unter den Fohlen waren zunächst viele normale Typen, Totilas selbst war ja auch ein eher schweres Pferd. Aber sie lassen sich phantastisch arbeiten. Unterm Strich hat er einige Top-Hengste gestellt, er war jetzt in der letzten Saison wieder ausgebucht mit 200 Stuten. Leider gibt es nicht mehr sehr viel TG-Samen von ihm.

Für mich bleibt Totilas der interessanteste Dressurhengst der Welt.

Danke für das Gespräch.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.