Im Frühjahr wie Herbst sorgt die atypische Weidemyopathie für Sorgen. Denn ist ein Pferd betroffen, gibt es oft keine Rettung mehr.
Sie können sich kaum bewegen, die Glieder steif. Wenn sie Kot absetzen wollen, dann ist das Äppeln schmerzhaft, der Kot sehr hart und trocken. Die Diagnose des herbei gerufenen Tierarztes: atypische Weidemyopathie.
Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine Störung des Muskelstoffwechsels, die durch eine abnormale Aminosäure ausgelöst wird. Neuste Forschungsergebnisse zeigen, dass Pferde diese Aminosäure namens Hypoglycin A über den Samen von Ahorn, insbesondere – nach Studien der Universität Minnesota – vom Eschen-Ahorn und vom Bergahorn – so Ergebnisse der Universität Lüttich – aufnehmen. „Der Ahorn produziert, wenn er Stress hat, mehr Samen“, erklärt Prof. Dr. Heidrun Gehlen von der Pferdeklinik der Universität Berlin, sie ist Fachtierärztin für Innere Medizin. Das sei vor allem im Herbst der Fall, wenn die Temperaturen schwanken. Tagsüber steigen sie in den zweistelligen Plusbereich, nachts ist Bodenfrost möglich. Der Ahorn reagiert mit fatalen Folgen für Pferde, gerade in dieser Jahreszeit.
Krankheitsverlauf atypische Weidemyopathie
Sobald die Pferde den Samen fressen, wird er im Magen-Darm-Trakt aufgespalten. „Dann wird das Hypoglycin A freigesetzt, im Körper umgewandelt und es gelangt in die Zellen. Dort bewirkt der Stoff die Hemmung des Fettstoffwechsels“, so Gehlen. Das bedeutet: Die Fettstoffe, vor allem in den Muskel-Zellen, werden blockiert. Ein Energiedefizit entsteht. Das ist gerade im Herbst ein Problem, wenn es um den Energiehaushalt vieler Pferde, zum Beispiel wegen des Fellwechsels, nicht zum Besten bestellt ist. Oftmals sind Jungtiere betroffen, die Tag und Nacht auf der Wiese verbringen. Im Herbst sind ihre Wiesen kahlgefressen und wenn sie nichts zugefüttert bekommen, mangelt es ihnen an Energie, deshalb sind sie anfälliger. Pferde, die nur ein paar Stunden auf die Wiese gelassen werden, erkranken hingegen seltener an der atypischen Weidemyopathie.
Nach Aufnahme des Ahorn-Samens dauert es ein bis zwei Tage, bis Symptome der atypischen Weidemyopathie auftreten. Es ist oft schwierig, diese Krankheit auf den ersten Blick zu erkennen. Denn immer wiederkehrende Anzeichen, an denen man die Erkrankung festmachen kann, wurden noch nicht identifiziert. „Sie kann sich ganz unterschiedlich äußern“, sagt Prof. Dr. Heidrun Gehlen. Durch das Hypoglycin A gehen die Muskelzellen zu Grunde, die Farbstoffe der Muskeln werden ausgeschieden. „Deshalb färbt sich der Urin dunkel, rot bis schwarz“, erklärt die Expertin. Weitere Folgen: Der Gang des Pferdes wird steifer, die Muskeln fest, die Herz- und Atemsequenz erhöht sich. Auch eine erheblich eingeschränkte Funktion der Kau- und Schluckmuskulatur sowie kolikartige Symptome wurden bereits beobachtet.
Die durch das Hypoglycin A ausgelöste Hemmung des Fettstoffwechsels ist irreversibel. Die Folgen, wie zum Beispiel eine Niereninsuffizienz, können allerdings behandelt werden. Die Todesrate ist nach Einschätzung der Tierärztin im Vergleich zu den ersten Fällen in den 1990er Jahren gesunken. Auch der Krankheitsverlauf ist milder, aber dennoch endet die atypische Weidemyopathie für viele Pferde tödlich.
Tipps zum Vermeiden der Weidemyopathie
Pferdehaltern wird geraten, sich genau die Umgebung der Wiesen anzuschauen. Wenn Ahorn-Bäume und insbesondere Eschen- und oder Bergahorn in der Nähe stehen, sollten sie im Herbst die Weide meiden. Allerdings können die Samen auch am Baum trocken und erst im Frühjahr auf die Weide fallen. Bedenken sollte man auch, dass die Samen durch ihre Flügel-Struktur auch einige Meter weit fliegen können. So kann auch ein Ahorn zur Gefahr werden, der nicht direkt in der Nähe steht. Außerdem sollte zusätzlich Heu zugefüttert werden, um den Energiehaushalt des Pferdes zu bedienen. Aber Achtung: Wenn das Heu auf der Wiese gefüttert wird, können sich die Samen in den Halmen festsetzen. Auch das Zufüttern von Mineralien kann nicht schaden, denn: „Bei betroffenen Pferden hat man im Nachhinein einen Mangel an Selen und Zink festgestellt“, so Prof. Dr. Heidrun Gehlen.
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