Pferdeboxen: Individuelle Einzimmerwohnungen

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So lässt es sich auch in einzelnen Pferdeboxen schön wohnen. (© www.toffi-images.de)

Pferdeboxen gibt es als Innen-, Außen- oder Paddockboxen. Wir haben Vor- und Nachteile dieser Einzimmerwohnungen zusammengetragen.

Früher konnte sich glücklich schätzen, wer in einem Pferdestall für sein Pferd eine Außenbox mit Fenster ergattern konnte. Weiden? In vielen Ställen Fehlanzeige. Auf die Bedürfnisse des Pferdes nach Licht, Luft, Sozialkontakten und Bewegung wurde kaum eingegangen.

„Heute gilt eine Außenbox als Mindeststandard. Viele Anlagen haben Probleme, ihre Innenboxen überhaupt noch voll zu bekommen“, berichtet der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Reitanlagen und Stallbau in der Pferdehaltung, Georg Fink. Vielen Reitanlagen in unterschiedlichen Ländern Europas, Russland und dem mittleren Osten liegt seine Planung zu Grunde.

Pferdenboxen: Die klassische Innenbox

Dass Innenboxen in der Pferdehaltung mittlerweile so unattraktiv geworden sind, kommt nicht von ungefähr: „Innenboxen haben für das Pferd vermutlich gar keine Vorteile“, stellt Fink klar. Dem häufig genannten Vorteil der geringen Ausbruchs- und Verletzungsgefahr bei der Boxenhaltung widerspricht er: „In Einzelboxen kommt es überdurchschnittlich oft zu Konflikten und Verletzungen.“

„Und die einfache Verfügbarkeit des Pferdes für den Besitzer kann man auch in pferdefreundlicheren Haltungssystemen haben“, ergänzt Dr. Uta König von Borstel von der Abteilung Pferdewissenschaften und Produktionssysteme für Nutztiere am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Universität Göttingen.

Die Nachteile dieser Pferdeboxen sind dagegen enorm, wenn das Pferd keinerlei Möglichkeit zu freier Bewegung und Weidegang neben der Arbeit hat. Das kann nicht nur zu Verhaltensstörungen führen, sondern auch die Gesundheit schädigen und damit die Tierarztkosten erhöhen.

„In der Regel herrschen in Innenboxen hohe Staub- und Schadgasbelastungen, durch die das Atemwegssystem belastet wird. Die Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen steigt dadurch an“, erklärt Dr. König von Borstel. Auch das Thermoregulationssystem des Pferdes wird in dieser Haltungsform nur unzureichend stimuliert, die Pferde sind anfälliger und weniger robust. Und dass Pferde, die ihr Leben lang nur ihre Box, die Reithalle und den Außenplatz sehen, schreckhafter sind als anders gehaltene Vierbeiner, leuchtet ein.

Damit aber nicht genug: „Das Bedürfnis nach Sozialkontakt kann nicht befriedigt werden, was zu Angst und Frustrationen und langfristig vermutlich zu Verhaltensstörungen wie Weben oder Boxenlaufen führen kann“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Einfache Verbesserungsmöglichkeiten

Eine Luke zum Herausschauen auf die Stallgasse bringt schon geringe Verbesserungen wie eine leicht erhöhte Stimulation durch Umweltreize – die Pferde können mehr am Leben im Stall teilhaben. Denn Pferde haben ein ausgeprägtes Erkundungs- und Neugierverhalten.

Einfach durchführbare Verbesserungen, die das Wohlbefinden des Pferdes zumindest um Nuancen erhöhen: Herausgenommene Fensterscheiben aus hoch angebrachten Luken verbessern die Luftqualität, Lüftungsschlitze in den Boxenfronten lassen Ammoniakdämpfe aus dem Mist besser entweichen.

Dennoch: Die Innenbox bleibt ohne ausreichenden Weidegang immer ein Kompromiss. Der geht auf Kosten des Pferdes. Anlagen, in denen die Gebäude keine Verbesserung zulassen, müssen ausreichende Auslaufflächen schaffen. „Wenn Pferde das ganze Jahr über ausreichend Weidegang haben, ist diese Haltungsweise durchaus vertretbar. Die Praxis aber zeigt, dass viele Stallbetreiber ihre Grünflächen schonen wollen oder müssen und die Pferde sich die Beine in den Bauch stehen“, berichtet Georg Fink.

Mögliche Probleme fürs Pferd

Ein weiteres Problem der Haltungsform in solchen Pferdeboxen: Das Bedürfnis des Pferdes, kontinuierlich Futter aufzunehmen, wird nicht befriedigt. „Die gesamte Physiologie des Magen-Darm-Traktes wird durch kurze, große Mahlzeiten belastet. In der übrigen Zeit haben Pferde – vor allem wenn sie auf Spänen stehen – keine Möglichkeit zur Futteraufnahme.

Das bringt Stress, der oft durch Verhaltensstörungen wie Koppen oder Zähnereiben an dem Trog und den Gitterstäben entladen wird“, berichtet Dr. König von Borstel. Auch die Gefahr von Magengeschwüren und Koliken steigt – Pferde produzieren im Gegensatz zum Menschen ständig Magensäure. Auch dann, wenn es nichts zu verdauen gibt. Die Säure greift die Magenschleimhaut an und verursacht Entzündungen, später auch Geschwüre.

Das gilt übrigens auch in Winterausläufen: Die Pferde stundenlang ohne Heu auf dem Paddock stehen zu lassen, ist aus diesem Grund gefährlich. Da hilft eine überdachte Heuraufe, aus der sich die Pferde selbst bedienen können. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt, rohfaserreiches Futter wie Stroh und Heu möglichst zwölf Stunden am Tag anzubieten. Fresspausen, in denen das Pferd gar nichts zu knabbern hat, sollten maximal vier Stunden dauern.

Schöne Aussicht: Die Pferdebox mit Fenster

Ein Außenfenster verbessert die Haltungsbedingungen in den Pferdeboxen gleich in verschiedenen Aspekten: „Das Pferd hat mehr Kontakt zu seiner Umwelt, bekommt frische Luft, spürt Sonne und Regen. Es sei denn, das Fenster wird bei umschlagender Witterung sofort wieder geschlossen. Dann ist der Effekt dahin“, so Georg Fink. Das sieht auch Dr. König von Borstel so: „Die Stimulation durch die Umwelt und Temperatur- sowie Wetterreize ist in der Box mit Fenster höher. Die Atemwege werden geringer belastet und die Pferde werden widerstandsfähiger gegen Krankheiten.“

Wichtig ist bei allen Pferdeboxen auf eine saubere Verarbeitung der Materialien zu achten, so dass keine scharfen Kanten oder Ecken entstehen, an denen sich das Pferd verletzen kann. Eine minimale Schürf- oder Stickwunde, kann bereits zu einer bakteriellen Infektion und zu einem Einschuss führen.

Pferdeboxen mit Paddock

Noch höher schätzt sie den Wert einer Paddockbox ein. „Jeder noch so kleine Paddock – Mindestgröße muss jedoch die Boxengröße sein – ist immer noch besser als gar kein Paddock. Die Pferde haben bessere Möglichkeiten zu Sozialkontakten und können sich mehr mit ihrer Umwelt und Klimareizen auseinander setzen“, so Dr. König von Borstel. Selbst Hengste können nach Finks Erfahrung in Pferdeboxen mit Paddock stehen. „Dann muss eben die Regel gelten, dass vormittags die Boxen 1, 3, 5 offen sind und nachmittags 2, 4, 6, also die Hengste keinen direkten Nachbarn im Paddock neben sich haben. Letztlich ist alles eine Sache der Gewöhnung.“

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Pferdeboxen mit eigenem Paddock (© www.slawik.com)

Paddockbox auch für Sportler

Eine, die es wissen muss, ist die Grand Prix-erfolgreiche Dressurreiterin Katrin Bettenworth. Auf ihrer Anlage im westfälischen Spenge hält sie seit vielen Jahren ihre Sport- und Verkaufspferde in Paddockboxen. „Die Pferde sind seitdem viel zufriedener, genießen es, in der Sonne zu dösen und frei wählen zu können, ob sie draußen oder drinnen stehen“, berichtet die Pferdewirtschaftsmeisterin. „Nervöse Pferde werden in dieser Haltungsform ruhiger, da sie viel mehr mitbekommen und mehr geregelte Bewegung im Schritt haben. Wir haben die Türen Tag und Nacht offen und nur bei Sturm oder extremen Minustemperaturen geschlossen.

Die Pferde seien robust und Atemwegserkrankungen so gut wie unbekannt. Tauschen mit einem Stall ohne Paddockboxen wollte Bettenworth nicht mehr. Im Gegenteil: „Wenn die Pferde zurückkommen von einem Turnier mit kleinen Boxen im Stallzelt, scheinen sie richtig durchzuatmen, wenn sie bei uns wieder so viel Platz haben.“

Bettenworth, die über 140 Erfolge auf S-Niveau erzielt hat, kennt die Skepsis vieler Sportreiter gegenüber Paddockboxen. „Drei Bedingungen müssen da sein: Genügend große Türen, sichere Zäune und ein rutschfester Paddockboden. Ich hatte noch nie eine Verletzung eines Pferdes durch eine Paddockbox. Neuankömmlinge gewöhnen sich schnell daran und selbst mit einigen Hengsten funktioniert diese Haltung gut“, berichtet sie.

Ganz wichtig jedoch: Eine Größe, die nicht zum Galoppieren anregt. Und ein rutschfester Boden. Keinesfalls Sand oder andere Böden, die zum Wälzen einladen. „Das Wälzen birgt eine Verletzungsgefahr, da Pferde mit den Beinen durch die Trenngitter gelangen können“, warnt Georg Fink. Besteht der Boden aus Sand, können Gummimatten an den Trenngittern angebracht werden. Der Boden kann jedoch je nach Region nicht frei gewählt werden. „Die Wahl muss sich am regionalen Baurecht orientieren. So darf Wasser von dort zum Beispiel nicht in die menschliche Kläranlage gelangen“, so Fink.

Bewegung ist bei jeder Boxenhaltung ein Muss

So schön beispielsweise auch die Pferdeboxen mit „Terrasse“ für das Pferd sind, eins darf sie für den Reiter nicht sein: ein Alibi, dass das Pferd nun genügend Bewegung hat und nur noch ein paar Mal pro Woche rausgeholt wird. „Die Pflicht, dem Pferd genügend Bewegung zu verschaffen, besteht auch bei der Paddockbox“, betont Georg Fink.

Eine Orientierungshilfe bietet der Blick auf ein Pferd, das ausschließlich auf der Weide lebt. Studien zeigen, dass sich ein Pferd unter naturnahen Verhältnissen im Herdenverband im langsamen Schritt – grasend – bis zu 16 Stunden am Tag (ca. 20 Kilometer) bewegt. Das immer moderner werdende Modell Offenstall kommt diesem natürlichen Verhalten sehr entgegen und bietet auch für Reiter viel Komfort: moderne, große Reithallen, Longierhallen, ein Stübchen und sanitäre Anlagen sind mittlerweile in der Neuplanung fast selbstverständlich wenn es darum geht, so einen Pferdestall zu bauen.

„Mit einer Stunde Reiten in der Halle erreicht man rund sechs Kilometer Bewegung. Bei weitem nicht genug für eine gesunde Pferdehaltung“, warnt Fink. Die Folgen sind physiologisch leicht erklärt: Wer rastet, der rostet. Es wird nicht ausreichend Gelenkschmiere gebildet, Sehnen und Bänder verlieren ihre Elastizität, der Stoffwechsel wird eingeschränkt, das Atmungssystem nicht genügend gefordert.

Pferde haben sich innerhalb von 60 Millionen Jahren zu dem entwickelt, was sie noch heute sind: an das Leben in der Steppe angepasste Flucht- und Herdentiere. Seit rund 5000 Jahren sind sie domestiziert. Doch ihre artspezifischen Verhaltensweisen und die daraus resultierenden Bedürfnisse sind nahezu unverändert.

Pferde sind in Gruppen lebende Tiere, für die soziale Kontakte zu Artgenossen unerlässlich sind. Im Tierschutzgesetz ist außerdem verankert: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.“

In Bayern wird das übrigens überprüft. „Veterinärämter kontrollieren, ob eine Reitanlage gemäß der Anzahl der Pferde genügend Auslaufmöglichkeiten bietet und ob die Ausläufe auch genutzt werden. Teilweise kommt das Veterinäramt einmal im Monat zur Kontrolle“, berichtet Georg Fink.

 

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