Amsterdam: Dinja van Liere nutzt den Heimvorteil im Grand Prix

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Dinja van Liere (NED) – Hermes N.O.P.Jumping Amsterdam 2023© DigiShots

Dinja van Liere und Hermes auf dem Weg zum Sieg im Grand Prix von Amsterdam 2023. (© DigiShots)

Heute stand in Amsterdam das erste Highlight auf dem Dressurviereck an, der Qualifikations-Grand Prix für die Weltcup-Kür. Dinja van Liere und Hermes setzten sich gegen zwei deutsche Paare durch.

Vor zwei Tagen haben wir in Amsterdam noch erlebt, auf welche Dinge Dinja van Liere im Training mit Rieky Young Wert legt. Da saß sie auf einem Newcomer. Heute hatte sie ihr bestes Pferd im Stall gesattelt, den elfjährigen KWPN-Hengst Hermes v. Easy Game. Der zeigte sich heute zu Beginn der Prüfung sehr viel lockerer und geschmeidiger, als bei anderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel den Weltmeisterschaften in Herning, wo er ja zwei Bronzemedaillen gewonnen hat.

In der Rechtstraversale hatten die beiden leichte Anlehnungsprobleme, die nach links war besser. Das Halten danach war sicher, das Rückwärtsrichten gehorsam. Die erste Piaffe-Passage-Tour war aus einem Guss, rhythmisch im Takt, fleißig mit Lastaufnahme und recht locker im Rücken. Hier gab es zweimal die 10 von der Niederländerin Mariette Sanders-van Gansewinkel bei E. Danach dann eine gute Schritttour mit Zug zur Hand im auf der Diagonalen und sicherer Rückführung. In der zweiten Piaffe-/Paassage-Tour macht der Hengst sich leicht fest im Rücken, erkennbar unter anderem an deutlichen Schweifbewegungen. Diese leichte Spannung entlädt sich im starken Galopp. Nach problemlosen Zweierwechseln spielt Van Liere im starken Galopp über die Diagonale auf Risiko und gibt Gas. Beim Aufnehmen scheint Hermes jedoch noch einmal einen Gang höher zu schalten und die Reiterin muss ihn energisch abbremsen. Die Spannung wurden sie bis zum Beginn der Zick-Zack-Traversalen nicht ganz los. Van Liere muss den Hengst deutlich halten, er macht sich eng. Die Einerwechsel danach gelingen wieder sicher und auch den Rest der Aufgabe bringen sie ohne technische Fehler hinter sich.

Dann die Notenvergabe: 81,957 Prozent von Mariette Sanders-van Gansewinkel (Rang eins), Applaus von den Zuschauern. Dann 75,761 Prozent von Susanne Baarup (DEN) bei H (Rang vier). Da ging zum ersten Mal ein Raunen durch die Reihen auf den Tribünen. Weiter ging es mit Ulrike Nivelles (GER) Note als Richterin bei C: 77,609 Prozent. Maarten van der Heijden (NED) bei M war bei 81,087 Prozent (Rang eins), wieder Gemurmel unter den Zuschauern und Applaus von den Fans. Dann die letzte Note vom Richter bei B, dem Briten Peter Storr: 82,238 Prozent. Applaus auf den VIP-Plätzen, lautes Gelächter auf der Teilnehmertribüne. In Summe wurden es 79,739 Prozent, was am Ende für einen Sieg mit komfortablem Vorsprung reichte.

Emilio frisch und munter

Auch wenn es noch zwei Paare waren, die nach Dinja van Liere und Hermes kamen, war es nur eines, das eine realistiscehe Chance hatte, ihnen den Sieg streitig zu machen: Isabell Werth mit Emilio, die als letzte aufs Viereck mussten bzw. durften, denn das ist ja ein begehrter Startplatz. Patrik Kittel und Touchdown waren noch vor ihnen dran und wurden am Ende Achte mit 74,065 Prozent. Dann Auftritt Werth, die ja die letzten Weltcup-Turniere von Amsterdam mit Weihegold beinahe nach Belieben dominiert hatte. Nun mit Emilio.

Der inzwischen 17-jährige Westfalen-Wallach hatte sich ja schon in Frankfurt in bester Form gezeigt und schon gestern beim ersten Akklimatisieren in der Atmosphäre von Amsterdam machte er den Eindruck, dass er die Frankfurt-Form mit ins neue Jahr genommen hat. Das bestätigte sich heute.

Sicher, die hohe Kruppe ist etwas, das man dem Ehrenpreis-Sohn ankreiden kann. Aber er nimmt dennoch Last auf und die Anlehnung war eine der besten des Tages, stabil, das Genick praktisch immer der höchste Punkt, die Nase leicht vor der Senkrechten mit deutlicher Rahmenerweiterung in den – recht konservativ angelegten – Verstärkungen. Die Traversalen waren wahrscheinlich die besten des Tages. Beim Halten kam Emilio nicht zum Stehen, aber das Rückwärtsrichten gelang. Die Piaffe-Passage-Tour war so, wie das Protokoll es wiedergibt: gut.

Schritt ist nicht Emilios starke Seite, da war er mit Noten von 6,5 bis 7 gut bedient. Wissend, was danach kommt, wollte er schon vor dem Punkt anpassagieren, Isabell Werth löste das geschickt. In der zweiten Piaffe musste sie Emilio einmal etwas auffordern. Das gelang ihr so wohl dosiert, dass der Takt nicht eine Nuance unterbrochen wurde. Vor den Zweierwechseln machte Emilio sich einmal etwas schief, die Wechsel selbst waren sicher. In den Wechseln von Sprung zu Sprung fehlte etwas der Zug nach vorn. Auch im Galopp galt: Die Traversalverschiebungen waren ganz vorne. Weitere Highlights: die Pirouetten. Auf der Schlusslinie setzte Emilio in der Piaffe einmal kurz an, mit dem Kopf zu schütteln, aber Werth löste das Problem, noch ehe es zu einem werden konnte. Alles in allem eine tolle Runde, die mit 77,957 Prozent belohnt wurde. Für Susanne Baarup (78,370) und Ulrike Nivelle (78,913) war es der beste Auftritt des Tages, beide hatten sie auf Rang eins.

Sternstunde für Ingrid Klimke und Franziskus

Apropos gutes, geschicktes Reiten – das zelebrierte heute vor allem Ingrid Klimke auf ihrem Franziskus. Der Hannoveraner Hengst v. Fidertanz ist nun 15 Jahre alt und scheint seinen Zenit noch nicht erreicht zu haben. Heute stellten die beiden mit 76,261 einen neuen persönlichen Rekord auf und das voll verdient.

Schon am Anfang war das Gesamtbild bestechend: ein geschlossen und elastisch bergauf trabendes Pferd mit schwingendem Rücken im passendem Rahmen bei feiner Anlehnung. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Teil eins der Trabtour gelang gut. Sicher, Franziskus wird nie ein Piaffier-Weltmeister. Aber Ingrid Klimke ist es gelungen, ihm seinen Takt zu geben, der Fleiß war ausreichend und die Übergänge gelangen fließend. Der starke Schritt war etwas eilig statt groß schreitend, die Rückführung aber sicher. Auch die zweite Pi-/Pa-Tour zeigte Franziskus so, wie er es kann. Im Galopp begannen sie mit schnurgeraden, sicher und losgelassen durchgesprungenen Zweierwechseln. Im starken Galopp zeigte Ingrid Klimke, was sie sich eine Vielseitigkeitsolympiasiegerin unter 400 Meter/Minute Tempo vorstellt, und hatte „Franz“ in der Rückführung dennoch sofort wieder bei sich. In den Zick-Zack-Traversalen drohte der Hengst Klimke zu Beginn etwas hinter die treibende Hilfe zu kommen. Doch Ingrid Klimke löste das in geschicktester Weise. Dann locker nach vorne durchgesprungene Serienwechsel, eine etwas groß angelegte erste Pirouette, die zweite kleiner, aber nicht ganz so gut im Rhythmus. Dennoch keinerlei technische Fehler. Und so blieb es, bis sie zuhause waren. Alles in allem eine tolle Prüfung!

Mariette Sanders-van Gansewinkel und Susanne Baarup sahen Ingrid Klimke und Franziskus auf Rang zwei. Ulrike Nivelle und Peter Storr hatten sie auf Platz vier. Maarten van der Heijden hingegen setzte sie nur auf Rang sieben. Doch alle Wertnoten zusammengerechnet war es der dritte Platz für die beiden Weltcup Final-Aspiranten.

Die weiteren Plätze

Der Grandseigneur gab sich die Ehre. Blue Hors Zack war heimgekehrt in seine alte Heimat, denn der Hengst aus dänischem Besitz ist ja eigentlich Niederländer. 19 Jahre alt ist der Rousseau-Sohn nun, und er wirkte nicht nur gesund, sondern frisch. Das allein war schon schön anzuschauen (auch wenn das Maul zeitweise deutlich offen war), ein Pferd mit einer solchen Lebensleistung, sowohl was seine eigenen sportlichen Meriten angeht, als auch die seiner zahlreichen Nachkommen. All das merkte man ihm nicht an. Er war gleich in der ersten Gruppe der Prüfung dran und seine 76,196 Prozent unter Nanna Skodborg Merrald sollten lange unerreicht bleiben. Am Ende war es ein voll verdienter Rang vier.

Eine weitere schöne Vorstellung kam aus den Niederlanden von Kirsten Brouwer auf dem schicken KWPN-Hengst Foundation v. United. Optisch erinnert dieser 13-jährige Fuchs sehr an seinen mütterlichen Großvater Jazz. Die Vorstellung des Paares war harmonisch und fast fehlerfrei mit Highlights vor allem in der Trabtour. 75,087 Prozent wurden es für die beiden, am Ende Rang fünf. Bemerkenswert dazu die Einschätzungen der Richter von 73,478 Prozent (Platz elf) von Ulrike Nivelle bei C bis 79,348 Prozent (!) von Peter Storr bei B (Rang zwei).

Die weiteren Schleifen gingen an Emmelie Scholtens (NED) und den schicken schwarzen Vivaldi-Sohn Desperado mit 74,696 Prozent vor Dänemarks Daniel Bachmann Andersen im Sattel einer Nachwuchshoffnung, dem elfjährigen Zippo, ein Sohn des ja einst von ihm ausgebildeten Zack, siehe oben, mit 74,609 Prozent.

Besonders die Runde von letzterem Paar war ebenfalls schön anzusehen, vor allem die fühlende Hand des Reiters. Insgesamt war alles noch etwas zu zurückhaltend. Man hatte den Eindruck, Bachmann Andersen wollte Zippo, für den dies sein sechstes (internationales) Turnier überhaupt ist und das erste in diesem Jahr, nicht überfordern. Die Anlagen sind da, aber zum Beispiel in den Verstärkungen wünschte man sich mehr Zug nach vorne, etwas, was Zippo mit seinem Schwung und seiner Elastizität eigentlich gegeben sein dürfte. Auch wurde der Wallach von Zeit zu Zeit noch etwas eng. Aber da reift ein Pferd für die Zukunft heran.

Heute keine Schleife für Annabelle

Neben Isabell Werth und Ingrid Klimke waren auch Helen Langehanenberg und Annabelle nach Amsterdam gereist. Die 15-jährige Holsteiner Stute v. Conteur kam frisch aus der Winterpause und belegte mit 73,565 Prozent Rang zehn von 16 Teilnehmern. Man hatte jedoch den Eindruck, dass „Mausi“ heute nicht hundertprozentig zufrieden in der Anlehnung war, vor allem zu Beginn der Aufgabe. Dennoch – oder vielleicht auch deshalb, weil die Reiterin jegliche Rückwärtseinwirkung vermied – war das Seitenbild geradezu mustergültig mit offenem Genick als höchstem Punkt und der Nase stets vor der Senkrechten. Die Piaffen zählten zu den Highlights der Aufgabe inklusive super Übergängen. Im Galopp wünschte man sich allerdings, dass die Stute lockerer durch den Körper arbeiten würde.

Ausgeschieden

Die Aufgabe nicht beenden durften Andreas Helgstrand und Queenparks Wendy. Nach losgelassenem starkem Schritt mit deutlichem Vor- und Übertritt bei klarem Zug zur Hand und einer sehr schönen Piaffe-Passage-Tour mit gutem Seitenbild kam in den Zweierwechseln Spannung auf. Am Ende der Diagonalen hatte die neunjährige Sezuan-Tochter offensichtlich rosa Schaum am Maul und wurde abgeklingelt.

Alle Ergebnisse finden Sie hier.

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.