Trotz Fehler: Jessica von Bredow-Werndl gewinnt souverän Gold bei Europameisterschaft

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Europameisterschaft Dressur, Hagen 2021 (© www.st-georg.de)

Gold bei Europameisterschaft für die Favoriten: Jessica von Bredow-Werndl und Dalera siegen in Grand Prix Special mit mehr als 2,5 Prozent Abstand. Und das trotz eines Fehlers in den Einerwechsel. Nerven wie Drahtseile bewies einmal mehr Isabell Werth: Keine 24 Stunden nachdem ihre Stute Bella Rose eine Kolikoperation überstanden hatte, gewann sie mit Weihegold Silber. Bronze für Cathrin Dufour (DEN) und Bohemian.

Das ist neu: Um Gold bei der Europameisterschaft zu gewinnen muss Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera BB nicht angreifen, sondern als Olympiasiegerin ist sie nun die Gejagte. Dass das Paar nichts anbrennen lassen wollte, wurde schon beim Halten deutlich: Sicher auf allen Vieren – und los ging’s!

In vergangenen Championatsprüfungen hat die Trakehner Stute immer mal wieder der Verdauung an unpassenden Momenten den Vortritt gelassen. Zuletzt vor den 15 Einerwechseln im Olympiaviereck von Tokio. Auch auf dem Weg zum Gold bei der Europameisterschaft hat Dalera das Äppeln im Programm. Diesmal aber schon im ersten starken Trab. Endlich einmal hat damit die Easy Game-Stute sich die richtige Lektion ausgesucht für den Toilettengang.

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Die Traversalen (8,5) gelangen sicher und geschmeidig, in einem starken Trab schwang das linke Vorderbein in der Rückführung dabei nicht ganz so hoch aus wie das rechte (7,9). Aber Geschmeidigkeit war Programm in jeder Gangart, sei es dass „Jessi“ einen Gang hoch oder einen herunterschaltete. 84,439 zeigt die wieder funktionierende Anzeigetafel als Zwischenwertung nach dem ersten Drittel der Prüfung.

Vor der ersten Piaffe war der versammelte Schritt nicht mehr im Viertakt (5,1). Die folgende Piaffe war eine der besten der gesamten Europameisterschaft: 9,1. Die Übergänge wurden mit Noten bis zu 9,4, bedacht.

In der Galopptour dann, nach sicheren Zweierwechseln (8,1), in den 15 Einerwechseln auf der Diagonalen ein Fehler (4,3). Jetzt musste die Gejagte Hackengas geben. Mit guten Pirouetten (8,7 und 8,9) und einer eigentlich perfekten Schlusslinie gelang ihr das überzeugend. 26 mal die Note 10,0 im Protokoll, Bewertungen von 81,277 bis 86,598 Prozent. Einig waren sich die Richter zumindest, dass dies der beste Ritt des Tages war. Einigkeit war sonst bei den Beurteilenden rund ums Viereck nicht immer zu erkennen.

Mit Publikum, der neuen Europameisterin hat es gefallen: „Die Zuschauer, das war anders als in Tokio. Dalera kam ins Stadion und hatte die Ohren vorne und wurde immer größer. Ich musste ganz still sitzen.“

Nach Kolik-Schock erkämpft sich Isabell Werth Silber

Weihegold und Isabell Werth begannen mit einem Halten zum Gruß, das noch Luft nach oben hatte, deutlich herausgestellt war das linke Hinterbein. Dann aber waren beide auf Sendung: Die Traversalen geschmeidig und gut gestellt und gebogen (8,0). Dann Passage (8,9, 9,0) exakt von Punkt zu Punkt ritt die Weltranglistenzweite die Oldenburger Rappstute. Der Übergang zum Schritt war etwas holperig, im starken Schritt fußte die Stute einen Hufbreit über. Spannung kam im versammelten Schritt (5,9) auf vorm Abbiegen bei H in Richtung der ersten Piaffe. Die gelang sehr gut (8,4), die zweite Piaffe begann mit etwas weniger Lastaufnahme in den ersten Tritten, dann aber schloss sich die Stute noch mehr heran und senkte sich in der Kruppe (8,3). Sehr gute Zweierwechsel (8,1), auch die 15 Einer (8,4), eine super zentrierte Linkspirouette (8,8), die nach rechts noch flüssiger, auf kleinstem Kreis, aktiv und lebhaft im Hinterbein gesprungen (9,1). Die letzte Linie in absoluter „Weihe-Klasse“: versammelter Trab, Passage, Piaffe, Passage, Halten – alles exakt am Punkt, es hagelte Neunen. 81,702 Prozent – Silber. Einmal mehr ein Zeichen, welche Willensstärke Isabell Werth mit ins Viereck bringt. Denn keine 24 Stunden vorher war ihre Stute Bella Rose, ihr Herzenspferd, wegen einer Kolik in die Klinik gebracht worden.

Das Fazit fiel analytisch aus: „Im Grand Prix war das kontrolliertes Risiko, hier heute war schon das Abreiten gut und dann hat Weihe mich gut mitgenommen,“ so Isabell Werth. Nach der Kolik-Operation von Bella Rose am gestrigen Abend, war der Tag für Isabell Werth nicht der einfachste: „Heute war ich nicht so motiviert, aber Weihe hat mich motiviert. Weihe war da und ich habe mich dann voll auf sie konzentriert und konnte alles andere ausblenden, im Stadion habe ich es dann richtig genossen.“

Bronze für dänische Superstars

Die Dänin Cathrine Dufour und Bohemian hatten gestern in der Mannschaftsentscheidung zwei grobe Patzer. Heute begann das Paar mit einem eiligen starken Trab (7,6), gefolgt von gut gebogenen, flüssigen Traversalen (8,8). Leider ging das Pferd kaum einmal mehr als drei Meter am Stück mit der Nase an der Senkrechten, geschweige denn vor der Senkrechten.

Nach dem ersten Drittel der Prüfung: 80,919 Prozent. Die erste Piaffe war super gleichmäßig auf der Stelle getreten, aber auch hier war das Genick nicht der höchste Punkt. (9,0). In der Galopptraversale dasselbe Bild. Die Füße machen alles richtig, der Körper bis auf den oberen Halsbereich und den Kopf auch (7,9). Die Serienwechsel gelangen gut (Zweierwechsel: 7,6, 15 Einerwechsel: 8,4). Die Rechtspirouette, Multiplikator zwei im Protokoll, wurde mit 9,0 beurteilt. In der letzten Piaffe entschied sich der Westfalen dann beim Herausreiten für ein paar Hüpfer, trotzdem gab es noch eine 7,4 für die Piaffe, aber die Note für den Übergang fiel entsprechend niedriger aus, 5,2. 81,079 Prozent bedeuteten die Bronzemedaille für die 29-Jährige. In Tokio zu viel gewollt. Das war gut, er startete dann einfach mit mir zu tanzen, das war die beste Entscheidung. Das Gefühl, das er mir gegeben hat, war heute alles für mich.“

Zweimal Großbritannien auf den Plätzen vier und fünf

In Tokio hatten Charlottte Dujardin und Gio Bronze gewonnen. Diesmal war es für den jungen Wallach und die Olympiasiegerin Platz vier. Der starke Trab war eilig (7,5) Exakt vom Punkt zu Punkt gerittene erste Traversale (8,6), faszinierend wie sich dieses so kurze Pferd dennoch in der Längsachse beigen lässt. Weit kreuzend und immer im Rhythmus auch die Traversale nach rechts (8,6).

In der Passage wünschte man dem Apache-Sohn noch mehr Abdruck im Hinterbein. Aber als neunjähriger Neuling im Grand Prix kann er das, olympische Bronzemedaille hin oder her, noch nicht in dem Ausmaß haben wie die alten Hasen. Die erste Piaffe war klar im Vorwärts angelegt (7,6). Die nächste aus der Passage (7,9) heraus entwickelt, fiel ihm einfacher (7,9). Der Galopp war insgesamt etwas weniger frei angelegt als noch in Tokio. In den Bereichen ohne Lektionen muss sie trotzdem darauf achten, den Dreitakt zu erhalten.

Das Paar punktete in den Zweierwechseln (7,9). Die Einerwechsel waren schnurgerade, bergauf und sicher in der Anlehnung, das Genick stets der höchste Punkt (8,2). Der erste der neun Einerwechsel zwischen den beiden Pirouetten (erste 8,7, zweite 8,0) war kurz gesprungen Auf der letzten Mittellinie in der Passage wirkte der Fuchs etwas matt. Aber man sah, wo er landen kann, wenn er insgesamt einmal an Kraft und Reife gewonnen hat, 79,787 Prozent.

Charlotte Fry ritt den Hengst Everdale einmal mehr aufgekröpft von Anfang bis Ende. Damit kann man Punkte bekommen! 7,9 für den starken Trab, auch mal eine 8,1 – Rahmenerweiterung scheint nicht mehr Bestandteil dieser Lektion, oder überhaupt der Bewertung von Dressuraufgaben auf internationalem Niveau zu sein. Hauptsache die Spunggelenke fußen hoch und nach hinten heraus – die Stelle in den Reitlehren, die das fordert muss wohl nochmal nachrecherchiert werden.

Starker Schritt, der Moment, in dem das Pferd einmal längere Zügel genießen konnte (7,2).  In die erste Piaffe „nörgelte“ sich Everdale hinein (6,5). Die zweite aus der Passage heraus erhielt eine glatte 8,0. In der Galopptraversale erinnerte der Rappe in seinem engen Hals, die Ganasche an der ausgeprägten Unterhalsmuskulatur an Anky van Grunsvens Salinero – und der war ja Olympiasieger. Selbst im starken Galopp, mit viel Ausdruck im Vorderbein couragiert nach vorne geritten, war die Kruppe stets weit oben (8,9). Auf kleinem Kreis gesprungene Pirouetten wurden beide über acht bewertet. Hankenbiegung? Naja.

Die letzte Piaffe, eng im Hals, nach Balance suchend leicht schwankend nach links und rechts, wurde ebenfalls noch mit einer Acht beurteilt 78,146 Prozent, Platz fünf.

Bundestrainerin Monica Theodorescu war mehr als zufrieden: „Eigentlich vier in der Kür. Eine sehr schöne Runde von Helen, fehlerlos mit Annabelle. Faustus heute auch klasse bis auf die zwei blöden, wirklich sehr blöden Taktfehler in der Passage, wirklich völlig unnötig.“ Die beiden Top-Amazonen? „Ein toller Fight um die Medaillen mit einem wunderbaren Resultat!“

Carl Hester wurde Sechster mit En Vogue mit 77,31 Prozent. (mehr zu den Ritten aus den ersten beiden Dritteln der 30 Starter finden Sie hier). Es folgten im Ranking zwei Schwedinnen.

Zwei Schwedinnen, zwei Konzepte

Therese Nielshagen und Dante Weltino haben es nicht weit bis nach Hause ins Dressurleistungszentrum Lodbergen. Und die Gastgeber der EM 2021, Familie Kasselmann, hat auch schon häufiger einen Nachkommen des Oldenburgers Dante Weltino in ihrer P.S.I.-Auktionskollektion für gehobene Dressuransprüche im Aufgebot gehabt. Nun perfomt der Vater dort, wo seine Kinder sonst trainiert werden.

Starker Trab: 8,4 – Ausrufezeichen! Der erste Ritt, bei dem die 80 Prozent lange Zeit in der Zwischenwertung  länger vor dem Komma stand. In der Passage schwang ein Hinterbein mitunter stärker unter den Körper, das ahndeten die Richter streng. Immerhin schwang es, und wurde nicht spannig nach oben gezogen, gleichmäßig, dafür fest.

In den ersten beiden Piaffen schnalzte man innerlich mit. Da hätte der Danone-Sohn energischer abfußen müssen (je 7,1). So rutschte die Bewertung auf den Bereich um 74 Prozent. Aber im Galopp konnte Therese Nilshagen dann wieder Punkte sammeln, in den Serienwechseln (7,9) genauso wie im starken Galopp. Die Linkspirouette war hinten nicht ganz flüssig gesprungen, die nach rechts gelang deutlich besser (8,2).

Auf der Mittellinie dann eine schöne, weitegehend gleichmäßig Passage (7,8), die beste Piaffe der beiden (7,4) und noch einmal eine tolle, federnde Passage (7,9). 76,869 Prozent, Platz acht.

Vor ihr ihre Teamkollegin, die Schwedin Juliette Ramel und Buriel . Sie trainiert bei Patrik Kittel. Das spiegelte ihr Ritt wider: Passagen im unerschütterlichen Gleichmaß und super Piaffen. Im Takt, auf dem Punkt, gleichmäßig. Aber im Schritt kann der Niederländer keine Punkte machen. Teuer war auch, dass das 15-jährige Olympiapferd im versammelten Galopp an der kurzen Seite einmal in den Trab fiel. Andere Dinge im Galopp, vor allem die Serienwechsel und die lebhaft gesprungenen Pirouetten gelangen – letztere allerdings etwas groß. Die Passage zeigte der Braune wie eine aufgezogene Spieldose, ein Tritt wie der andere (Benotungen bis 8,3). 76,9 Prozent.

Marshall-Bell – den muss man im Auge behalten

Der Däne Daniel Bachmann Andersen hat einen Sitz, dass man ernsthaft überlegt, ob man selbst nicht doch zum Tennis wechseln sollte. So zu sitzen, das schafft man einfach nicht. Und wenn dann solch ein Sitz noch auf ein solch talentiertes Pferd wie Marshall-Bell trifft, dann ist das schon etwas, das besonders ästhetisch anzuschauen ist.

Bei K kam der dänische Dunkelfuchs v. Blue Hors Don Romantic an die Dressurgatter am Viereckrand. Danach traversierte er nach rechts im Hinterbein nicht ganz gleichmäßig. Auch im starken Trab

Das Problem war aber im Geradeaus schnell wieder behoben. Die erste Piaffe war ruhig, gleichmäßig und schon voll auf dem Punkt. Erstaunlich für ein neunjähriges Pferd. In der zweiten Piaffe brauchte es dann etwas deutlichere Reiterhilfen. Der Schritt war auch von der besseren Sorte, und erst der Galopp! 8,1 für die Zweierwechsel, 8,0 für die Pirouette, die noch Kraft und Balance benötigen. Am Ende dann noch Passagen für eine 8,0, eine Endnote von 75,638 Prozent und vor allem die Erkenntnis: Ja, es gibt sie noch, die Pferde, die das Hinterbein haben, um damit kraftvoll abzudrücken und unter den Körper zu schwingen.

Die Benotungen waren entsprechend „interessant“: von 73,1 (19. Platz, Henning Lehrmann bei F) bis 79,681 (5. Platz, Thomas Lang bei K).

Helen Langehanenberg wurde Elfte (75,228), Dorothee Schneider nach zwei teuren Taktfehlern in der Passage 14. (74,802).

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).