ECVM beim Pferd – Phantom oder grausame Wirklichkeit?

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Halswirbelsäule-Pferd-ECVM

Röntgenbild der Halswirbel C6, C7 und vom ersten Brustwirbel Th1 eines Pferdes: Die blau gestrichelte Linie markiert die Mitte des Rückenmarks, die gerade den Boden des Rückenmarkkanals. Die Einengung vorm ersten Brustwirbel Th1 (die beiden blauen Linien ganz rechts) ist deutlich zu erkennen. Außerdem ist eine starke Stufenbildung der Wirbel zu sehen, was das Rückenmark zusätzlich einengt. Die rote Linie markiert eine gesunde Wirbelkontur (v.l.n.r. C6, C7). (© privat)

In der Tierärzteschaft machen vier Buchstaben die Runde: ECVM. Nicht jeder hat schon davon gehört. Die Abkürzung steht für Equine Complex Vertebral Malformation – missgebildete Wirbel in der unteren Halswirbelsäule. Die Folge: Rittigkeitsprobleme, Pferde, die plötzlich stürzen, tote Fohlen. Alles nur Einbildung? Leider nicht, wie wir in der Recherche zu diesem Artikel herausfanden.

Enne war Liebe auf den ersten Blick, ein Herzenspferd“, sagt ihre Besitzerin Mirja Constien. Fünfjährig hat die junge Mutter die braune Stute gekauft. Französischer Vater, Mutter Holsteinerin besten Geblüts. Enne sei rittig gewesen, noch unbemuskelt, etwas kraftlos, erinnert sich ihre Besitzerin. Vor allem aber brav und artig – das optimale Freizeitpferd, das sie sein sollte. Bei der Ankaufsuntersuchung taten sich keine Probleme auf. Die Halswirbelsäule wurde damals nicht geröntgt.

Eineinhalb Jahre ging alles gut, ein Bereiter half. Im Laufe der Zeit „stützte sie sich immer mehr aufs Gebiss, ihr fester Muskeltonus fiel auf“, sagt Mirja Constien. Dann lahmte die Stute vorne rechts und hinten links. Der Beginn einer Odyssee. Ein Spezialist röntgte die Halswirbel: Ein Facettengelenk war vergrößert. Der Tierarzt spritzte dieses mit einem Kortisonpräparat. Enne wurde wieder fit. Doch schon bald wurde sie unter dem Sattel wieder „nörgelig“. Immer stärker drückte sie auf die Hand, hinzu kam hektisches Kauen. „Sie wurde dann richtig stark unterm Reiter, dabei war sie brav, aber übersensibel beim Reiten.“ Schließlich wurde der Muskeltonus immer höher, das Pferd immer fester. Galopp wurde zum Wagnis, schwer zu kontrollieren. Wieder wurde die Halswirbelsäule behandelt, wieder zeigte sich das vergrößerte Facettengelenk entzündet. „Sie hatte wirklich Schmerzen, selbst unter Sedierung konnte sie den Hals nur S-förmig halten.“ Auch nach dieser Behandlung ging es Enne deutlich besser. Dann war sie wieder lahm, Fesselträger­reizung vorne, drei Monate Pause, dann antrainieren.

ECVM beim Pferd: Malformation von C6 und C7

Doch Ennes Besitzerin fühlte: Da muss mehr sein, als nur ein entzündetes Facettengelenk und eine Reizung des Fesselträgers. Zumal mittlerweile Headshaking auftrat, die Stute hinten manchmal wegrutschte und auch das plötzliche Losrennen und die verspannte Muskulatur nicht besser wurden. „Mein Bauchgefühl sagte mir, vielleicht sind die Zähne nicht OK.“ Bei Spezialistin Dr. Katharina Ros bekam sie kurzfristig einen Termin. Es stellte sich heraus: Enne hatte einen Überbiss, der letzte Backenzahn hatte sich schon in den Kiefer gebohrt. Die Stute kaute nur noch links, eine sogenannte Zwangsokklusion war entstanden. Die Kauflächen trafen nicht mehr symmetrisch aufeinander. Das ist normalerweise die Folge von Schmerzvermeidung wegen einer Zahn­erkrankung. Die Tierärztin hatte aber noch einen anderen Verdacht angesichts des Bockhufs vorne rechts und einem links deutlich weiter herausragenden Brustkorb. „Darf ich mal anders röntgen?“ Mirja Constien stimmte zu.

„Wusste ich doch“, so der erste Satz von Dr. Katharina Ros beim Betrachten des Röntgenbildes. „Dieses Pferd hat die Malformation von C6 und C7. So können wir uns erklären, wie die Zwangsokklusion entstanden ist. Die gute Nachricht: Es ist kein Zahn, der den Schmerz verursacht hat.“ Durch die Korrektur der Kauflächenwinkel kann man die Halswirbelsäule entlasten, denn eine optimale Okklusion (das Aufeinandertreffen der Zähne) stabilisiert die Halswirbelsäule, wie auch beim Menschen. Dr. Ros, die im engen Austausch mit Physiotherapeut Stefan Stammer steht, gab Tipps für Übungen, die den Brustkorb anheben und Enne ermöglichen, sich besser zu tragen und damit auch stabilisieren zu können. Die Tierärztin kennt die Handgriffe, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Sie selbst hat ein Springpferd, das einst große Begehrlichkeiten weckte, aber plötzlich zum Schatten seiner selbst wurde. Der Wallach stolperte, verlor die Füße, war phasenweise ataktisch und konnte sich an manchen Tagen beim Transport kaum stabilisieren. Auch ihn röntgte die Tierärztin und auch hier stellte sich heraus: Die Halswirbelsäule war deformiert. „Es gab Momente, da dachte ich, ich müsste ihn erlösen“, so Dr. Ros. Mit den Techniken von Stammer und Injektionen in die Halswirbelsäule ist der Wallach aktuell stabil. Das Tückische ist aber: Bei ECVM-Pferden kann man schlecht prognostizieren, wie lange dieser Zustand so bleibt.

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Auf den ersten Blick ein tolles Springpferd, später stolperte der Wallach und war kaum noch zu reiten. Die Erklärung: Seine Halswirbelsäule war missgebildet, der Rückenmarkskanal gequetscht. (© privat)

Cinderella ist bildschön, bewegt sich freilaufend toll. Wäre da nicht eine Kleinigkeit: Es findet sich kein Reiter mehr, der es wagt, sich auf Cinderella zu setzen. Ihr Besitzer wischt das böse Wort Ataxie weg. Er hat schon eine Lösung. Er wird Cinderella decken lassen. „Die Mutter war schon genau so, und da haben wir nach drei Wochen das Anreiten aufgegeben, sie bringt ja super Fohlen mit viel Tritt.“ Schon beim Longieren kündigte sich das Unheil an: Immer wieder fiel Cinderella hin. Beim Freilaufen im Geradeaus, den Kopf stolz in die Luft gereckt, trabte sie wie eine Kandidatin fürs Bundeschampionat. Dabei kann sich ihr Hals auch schlängeln wie ein Aal. „Hypermobil“, hat eine Tierärztin notiert. Eine Tänzerin wie ihre Namensgeberin ist Cinderella auf den ersten Blick. Aber eine, deren Tanzschuhe maßgefertigt sein müssen. Sie hat extrem unterschiedliche Hufe, einer sehr steil und eng, der andere größer aber zehenweit. Neuerdings legt sie sich seltsam hin, sie knickt nicht wie andere Pferde zuerst vorne ein, sondern lässt sich vielmehr erst nach längerem Zaudern mit der Hinterhand „runterplumpsen“. Dann fällt sie erschöpft auf die Seite. Auch das Aufstehen fällt ihr schwer, es strengt sie an, mitunter zittert sie. 

Adonis ist Deckhengst, hat wahnsinnig viel Tritt, „spektakulär“. Als Zweieinhalbjähriger schmiss er schon die Beine in die Luft, dass auf der Tribüne ein Raunen durch die Reihen ging. Vierjährig entwickelte er eine Kadenz, dass alle nur von „Passage“ schwärmten. Seine große Übersetzung im Galopp ließ die Richter zu Höchstnoten greifen – A Star was born. Doch im weiteren Training begann es irgendwann zu haken. Stellung schwierig, Biegung unmöglich. Widersetzlichkeiten häuften sich. Und akzeptierte Adonis die gebogenen Linien, dann war nichts mehr mit Kadenz. Plötzlich schlich der Beau um die Kurve, die Hinterbeine niemals in Spur, der Hals kaum in seiner Position zu verändern, weder eng noch lang, hoch oder tief, geschweige denn gebogen. Und wenn es ihm zu bunt wurde, dann stieg er kerzengrade in die Luft, ohne sich dabei wirklich ausbalancieren zu können.

Knackpunkt beim Pferd: Halswirbelsäule

Pferde wie Enne und die anderen haben eines gemeinsam: Ihre letzten beiden Halswirbel, C6 und C7, sind deformiert. Im unteren Bereich von C6 fehlen Knochenanteile, die halb so groß sind wie eine Handfläche. Auf den herkömmlichen, seitlichen Röntgenaufnahmen ist das nur für geübte Tierärzte zu erkennen. Positioniert man das Röntgengerät für die Aufnahme anders, stellt sich ECVM dar. Wobei der Röntgendiagnostik hier Grenzen gesetzt sind. Der letzte Halswirbel, C7, stellt den Übergang zur Brustwirbelsäule (erster Brustwirbel Th1) mit den Rippen dar. Er verschwindet quasi hinterm Schulterblatt. Ihn vollständig zu röntgen, ist nicht immer möglich.

Die Halswirbelsäule beim Pferd und ihre Bedeutung für die Stabilität

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Die Halswirbelsäule verläuft von oben nach unten und verschwindet in der Brust. Das Nackenband (rot) ist nur mit den ersten fünf Halswirbeln (C1–C5) verbunden. Die letzten Halswirbel, C6 und C7, sowie der erste Brustwirbel Th1 sind bei ECVM mitunter massiv deformiert. Hier eine gesunde Halswirbel­säule, zu erkennen an den nach unten hin vollständigen Wirbelkörpern (rote Linie). (© privat)

Dass der Hals die „Balancierstange“ des Pferdes ist, hat jeder schon gehört. Dass es problematisch sein kann, wenn diese Stange ungleich ausgeformt ist, erscheint logisch. Erst recht, wenn ganze Stücke fehlen. C6 ist einerseits zentral für die Biegung des Halses im Zusammen­spiel mit den beiden benachbarten Wirbeln, andererseits der Stabilisator der Balancierstange. An ihm setzen der lange Halsmuskel (m. longus colli) und der m. serratus ventralis an. Letzterer ist ein gesägter Muskel, der einen großen Bereich abdeckt und ohne den das Pferd seinen Widerrist und damit die Brustwirbelsäule und letztendlich den gesamten Rumpf nicht anheben könnte. Dieser Muskel ist auch für das Anheben der Halswirbelsäule verantwortlich. 

Das Nackenband, eine stabilisierende Struktur, die an der Hinterhauptschuppe ansetzt, ist bei Reit- und Rennpferden nicht mit C6 und C7 verbunden. Zusammen mit anderen Strukturen, darunter auch dem langen Rückenmuskel und den Bauchmuskeln, ist es eine wichtige Komponente des Trageapparats eines Pferdes. Interessanterweise ist bei nicht-domestizierten Pferden, etwa den Przewalski-Pferden, das Nackenband mit C6 und C7 verbunden. Gleiches gilt auch beispielsweise für Zebras.

Die Halswirbelsäule ist ein komplexes System. Facetten­gelenke, die zur Beweglichkeit des Pferdes ebenfalls ihren Beitrag leisten, verbinden die Halswirbel. Diese Gelenke können sich durch Traumata (z. B. Schläge, Stürze, …), fehlerhafte Beanspruchung der Halsmuskulatur durch falsches Reiten oder altersbedingt verändern. Es kommt zu Entzündungen (Arthritis), die wiederum Arthrosen, also Veränderungen an den Knochen nach sich ziehen können. Wenn man diese Entzündungen unterbindet, der Tierarzt also  Kortison spritzt, kann das Pferd danach meist muskulär wieder richtig aufgebaut werden, Rittigkeitsprobleme, Schwierigkeiten beim Stellen bis hin zum Stolpern oder Wegknicken können oft behoben werden. Unterschiedlich große Facettengelenke werden, so sagen die Tierärzte, die sich mit dem Thema beschäftigen, häufig bei ECVM-Pferden vorgefunden.

Der Blick auf das Problem

Blickt man quasi von hinten auf den sechsten Halswirbel eines Pferdes, fallen zwei Dinge auf: zwei große „Flügel“ (Laminae) im hinteren Bereich und eine große und zwei kleinere Öffnungen, Foramen. Durch die kleinen Öffnungen links und rechts des Wirbels verlaufen Adern und Nerven, die seitlich an Haut, Muskeln und anderen Strukturen landen. Bei ECVM-Pferden können diese Nerven gequetscht oder gestört sein, so dass das Pferd in gewissen Bereichen an Hals oder Vorhand Sensibilitätsstörungen aufweist. 

Das große, mittig angeordnete Foramen ist dem Rückenmark vorbehalten. Über dessen Nervenbahnen werden Informationen vom Gehirn bis zur Hinterhand weitergeleitet und umgekehrt. Werden die Nerven dort durch fehlgebildete Wirbel eingeengt oder gequetscht, ist die Reizleitung unterbrochen. Das Rückenmark ist komplex, die so wichtigen Nervenstränge werden von mehreren Bindegewebshüllen umgeben. Wird es gequetscht, hat das negative Auswirkungen auf die Stabilität des Pferdes. Dies ist häufig der Grund für Ataxien oder das Wobbler-Syndrom, bei dem die Pferde hinten schwanken und sich nicht mehr koordinieren und stabilisieren können. Wobbler müssen nicht zwangsläufig ECVM aufweisen. Aber eine Studie mit Röntgenbildern an der Veterinarian School of California konnte bei 24 von 100 geröntgten Wobblern missgebildete Halswirbel nachweisen. Diese Studie zeigte auch, wie wichtig die Position des Röntgengeräts ist, will man die Malformationen erkennen.

Wenn der Rückenmarkskanal nicht ausreichend Platz bietet, können auch Schäden in den tieferen Bereichen des Rückenmarks auftreten. Wirbel können für einen Moment kippen (Gleitwirbel) und das Rückenmark quetschen, die Koordination leidet plötzlich. Pferde verlieren beim Landen nach dem Sprung oder auch in der einfachen Bewegung unvermittelt die Beine und stürzen. Im nächsten Moment können sie sich aber durchaus wieder ganz normal bewegen.

Wenn Wirbelteile einfach fehlen

Bereits kleine, arthritische Veränderungen an den kleinen Facettengelenken können ein Pferd in seinen Bewegungsmöglichkeiten massiv einschränken und Schmerzen 

verursachen. Was aber, wenn ganze Teile fehlen und sich Knochenwucherungen an Stellen auftun, an denen der Körper planmäßig eigentlich gar keine knöchernen Strukturen vorsieht? Das genau ist der Fall bei den Auffälligkeiten, die unter dem Kürzel ECVM bekannt geworden sind. Oder wenn beispiels­weise eine der beiden Knochenplatten am sechsten Halswirbel, die Lamina, fehlt, an der doch eigentlich ein Muskel anheften soll. Dann muss sich der Körper Alternativen einfallen lassen. Muskeln und Nerven heften an anderen als den dafür vorgesehenen Stellen an. Die Information an das Gehirn fällt auf der betroffenen Seite dann entsprechend deutlich anders aus als an der „gesünderen“ Seite. Wobei durchaus viele Pferde auch beidseitig Deformationen an den Halswirbeln aufweisen.

Reiterlich kann ein erfahrener Reiter, der in der Lage ist, dem Pferd aus dem Sattel he­raus Stabilität zu geben, das mitunter kompensieren. Die Frage ist nur: Wie lange? ECVM, obwohl angeboren, muss sich nicht gleich in den ersten Jahren nach dem Anreiten äußern. Manche Pferde haben erst mit zunehmendem Alter Probleme. Die Anlehnung wird schwieriger, das Pferd wird „stark“ in der Hand, es wird plötzlich unsicher, sucht sein Heil in kopflosem Wegrennen, steigt oder bockt unter dem Sattel. Mitunter verändert sich die gesamte Persönlichkeit: Der Schmuse­bär wird zum zähnefletschenden „Anti-Pferd“, attackiert Menschen und Artgenossen, ist nicht mehr zu satteln. 

Oder aber überragend springende Pferde verlieren in schwersten Parcours plötzlich beim Landen die Beine. Junge Bewegungswunder beherrschen schon früh alle Dressurlektionen, aber sind mit sieben Jahren plötzlich nicht mehr zu reiten oder verlieren sogar schon beim Longieren die Füße und fallen hin, ohne sich selbst retten zu können. Es gibt diese Fälle. Und sie werden immer mehr. Das meinen zumindest mehrere Tierärztinnen und Tierärzte zu beobachten. 


ECVM beim Pferd: Symptome

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ECVM wurde erst nach mehr als zwei Jahren Diagnostik bei der Stute als das ursächliche Problem mehrerer Lahmheiten, massiver Rittigkeitsprobleme und Verhaltensveränderungen erkannt. (© privat)

Das ist typisch für ECVM-Pferde:

● Pferde stehen vorne ungleich, ein Fuß steht dabei deutlich weiter vorne oder in auffällig zehenweiter Stellung

● unausbalanciert und ataktisch auf unebenem Boden

● Pferde fußen besonders im Schritt nicht gerade, sondern „schwimmen“ mit steifem, gestelztem Gang in der Vorwärts­bewegung und fußen unkoordiniert auf

● Balanceprobleme im Stand: Schwierig­keiten, eine Gliedmaße anzuheben (etwa beim Hufauskratzen)

● Längsbiegung schwierig bis unmöglich

● Asymmetrische Schultern und Halsausprägung links und rechts

● Wiederkehrende, unerklärliche Lahmheiten

● Pferd zeigt Schmerzgesicht

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Das Brustbein der Stute steht links deutlich vor. Auch die Hufe haben unterschiedliche Formen angenommen, weil das eine Bein immer weiter vor steht als das andere. (© privat)


Hirngespinst oder Genproblem?

Osteopath Stefan Stammer sieht sich Pferde von außen an. „Sehr viele hochelastische und ganggewaltige Pferde neigen zu einer gewissen Instabilität. Wenn diese Pferde funktional stabilisiert sind, also den Hals-Brustwirbel-Übergang nicht nach unten drücken, sondern ,aufgespannt‘ sind, so dass der Brustkorb getragen wird und der Widerrist oben ist, ist damit auch der Winkel der Muskeln ein anderer. Sie können dann ihre Tragefunktion wieder ausfüllen. Das System ist wieder stabilisiert.“ 

Die Malformation vergleicht Stefan Stammer mit Kissing Spines: „Auch da hat man zunächst Pferde mit klinischen Symptomen geröntgt und das Bild passte zu den Rückenproblemen. Später wurde dann erst geröntgt und Dinge gesehen, die dem Pferd aber gar keine Probleme bereitet haben.“ Entscheidend ist für Stammer, dass man die bildgebenden Verfahren mit den klinischen Symptomen abgleicht. „Pferde mit Malformation und passenden Symptomen brauchen zwingend ein professionelles Konzept zur funktionalen Stabilisation im Sinne der medizinischen Trainingstherapie. Muskelketten müssen zur Unterstützung der Schwachstelle entweder massiv gekräftigt oder in den koordinativen Abläufen neu organisiert werden.“

Die Körper dieser Pferde müssen auf anderer Ebene geschult werden.

Osteopath Stefan Stammer


Ausprägungen der Malformation ECVM beim Pferd

Leicht, geringgradig

Reiterliche Probleme: Bei beidseitigem Befund und normal ausgeprägten Rippen gehen die Pferde häufig hinterm Zügel, die Beizäumung ist (zu) leicht, häufig betroffen sind Pferde mit „hoch angesetzten“ Hälsen. 

Bei einseitigen Befunden: schiefes Pferd, reiterliche Herausforderung.

Werden solche Pferde gut gemanagt, ist eine volle Belastung möglich. Wichtig dabei ist eine gute muskuläre Situation bei korrektem Exterieur und gutem Management: Training von versiertem Reiter, der über seine Stabilität im Sitz dem Pferd den notwendigen Halt gibt, exakt arbeitender Hufschmied, ideale Fütterung.

Mittelgradige Malformationen

Oft schon an der Hand Halsbiegeschmerz, Steifheit oder Überbeweglichkeit, Muskel­ketteninaktivität. Unter dem Reiter: Das Pferd hat Balanceprobleme, läuft „wackelig“. Es kann zu Vorhandlahmheiten durch gereizte Spinalnerven kommen. Durch Druck aufs Rückenmark können ein unkoordinierter Gang der Hinterbeine, Ataxie, Hahnentritt und Shivering ausgelöst werden. Das Pferd ist schief mit besonders schwachem Schultergürtel auf der Seite der Malformation. Dort findet sich häufig ein steiler Huf. Auch „dynamische Instabilität“ kann auftreten: Ein Bein bleibt plötzlich in der Bewegung stehen oder knickt auf einmal weg.

Hochgradige Malformation

Stuten mit Gendefekten nehmen generell nicht auf, resorbieren oder abortieren, bis hin zu Totgeburten. In diesem Fall mit Fehlen von erster und zweiter Rippe (Phänotyp: CFS, Contracted Foal Syn­drome).

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Test: Das Aufspannen der Oberhalsmuskulatur ist auf der linken Halsseite unproblematisch. Der Muskelstrang tritt deutlich hervor. (© privat)

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Die Aktivierung der Oberhalsmuskulatur auf der anderen, rechten Seite gelingt nur bis zur Höhe des fünften Halswirbels, vorm Schulterblatt eine Handbreit schlaffe Muskulatur. (© privat)


Ein Tierarzt aus einer großen Klinik, der sich viel mit Lahmheiten und auch mit Halswirbelsäulen beschäftigt – „ich spritze täglich Halswirbel“ – ist skeptisch, ob ECVM ein derart großes Problem darstellt. „Fehlende und missgebildete Transversalfortsätze der Halswirbel kommen vor. Es gibt aber auch Pferde mit Kissing Spines, die haben kein Problem. Dann kommt ein neuer Reiter und ein neuer Sattel und plötzlich geht nichts mehr.“ Der erfahrene Tierarzt möchte seinen Namen hier nicht lesen. „Es fehlen einfach noch wirklich gute Studien, vorher bewegt man sich im Bereich der Mutmaßung.“

Insider: Immer mehr Fälle

„Wir haben gravierende Probleme“, sagt ein Praktiker aus Norddeutschland, der seinen Namen an dieser Stelle ebenfalls nicht lesen möchte. Studien mit Daten kann er nicht liefern, aber die Erfahrung der letzten Jahre habe ihm eines klar gemacht: „Der Hals darf nicht weh tun. Wir sehen immer mehr instabile Pferde. Nicht jeder Fesselträger­schaden hat ursächlich nur mit dem unteren Bereich des Pferdebeins zu tun. Im Gegenteil. Meine Erfahrung hat mich gelehrt: Wer sich nicht rechts stellen lässt, wird früher oder später hinten rechts auch lahm gehen. Das wird mitunter erst dann bemerkt, wenn sie auch noch auf dem diagonalen Vorderbein, also links, zu lahmen beginnen.“ Das Problem sei mittlerweile nicht mehr als Liste von Einzelfällen vom Tisch zu wischen. 

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Sie hat’s gefunden: Sharon May Davis

Die erste, die sich wissenschaftlich ausgiebig mit den krankhaften Veränderungen an den beiden Halswirbeln, dem ersten Brustwirbel und manchmal auch der ersten Rippe beschäftigt hat, ist die Australierin Sharon May Davis. Das Rennpferd Presley brachte sie vor gut 20 Jahren auf die Spur von ECVM. Das Pferd war im Rennen auf der Schlussgeraden zusammengebrochen. Gebrochene Fessel, Beckenbruch. Sharon May Davis sah sofort: Der Halswirbel C6 sah anders aus als gewöhnlich. Im Rennvideo erkannte man, dass Presleys Hals- und Kopfhaltung anders als bei den anderen war, starrer, unbeweglicher. Die Forscherin, Spitzname „Bone Lady“, Knochen-Lady, untersuchte zunächst vor allem Rennpferde. Mehr als 20 Pferde sezierte sie seitdem Jahr für Jahr. Längst nicht nur Vollblüter. 

Todesdrohung wegen Forschung

Als Sharon May Davis sich auch für den Erbgang und damit für genetische Komponenten der Rennpferde mit ECVM interessierte, erhielt sie eine eindeutige Drohung. Sollte sie Namen von Hengsten nennen, die potenziell ECVM vererben, würde sie bei einem Autounfall sterben und niemand würde jemals nachweisen können, dass es kein Unfall war. Klare Worte, im Rennsport geht es um viel Geld. 

2014 veröffentlichte Sharon May Davis dann in einem tierärztlichen Journal die Erkenntnisse aus mehr als 100 Sektionen: Ein Fünftel wies die Missbildung auf, wobei Vollblüter und deren Nachkommen überproportional hoch vertreten waren. 123 Pferde, darunter 50 Vollblüter, hatte sie seziert. 23 wiesen missgebildete Wirbel auf. Am stärksten betroffen waren die Vollblüter, 38 Prozent von ihnen hatten einen C6, der klar von der Norm abwich. C7 war dann meist auch betroffen. Das bedingt sich häufig und der erste Brustwirbel (Th1) und die erste Rippe können in der Folge auch fehlgebildet sein.

Davis

Derselbe Halswirbel C6: Einmal von unten fotografiert (li.) und einmal dem Betrachter entgegengekippt. Deutlich erkennbar (Kreise) ist die fehlende Lamina. Foto: Davis (© Davis)

Wer es (er)kennt, findet es – und ist entsetzt

Man könnte die Forschungsarbeiten von Sharon May Davis als das persönliche Steckenpferd der robusten Australierin abtun. Doch das wäre zu kurz gesprungen. Tierärzte, die sich in der Sportszene auskennen, wissen schon länger: Früher wurden Gelenke und Rücken gespritzt, wenn die vierbeinigen Athleten nicht mehr die gewohnten Topleistungen brachten. Heute wird „der Hals“ gespritzt. Und das ist nur ein Teil eines engmaschigen Betreuungsnetzes, das die Topsportler im Parcours oder „Großen Viereck“ benötigen: eng getaktete Schmiede­termine, Zahnkontrollen im dreimonatigen, manchmal sogar sechswöchigen Rhythmus, gezielte Fütterung, Chiro, Osteo, Physio. Trotzdem verlieren diese Pferde dann auf einmal die Beine. Einfach so. 

In den Niederlanden musste Zefanja Vermeulen erleben, wie ein bei ihr geborenes Pferd, wunderschön, spektakuläre Bewegungen, plötzlich zusammenbrach. Im Alter von zwei Jahren. Der Bruder, ein gekörter und gefeierter Hengst, verschwand ebenso plötzlich von der Bühne. Er sei ein „Wobbler“ hieß es, ein Ataktiker. 

Sezieren bringt es an den Tag

Die Züchterin röntgte die zweijährige Stute, dann schläferte sie sie ein. In einem extra dafür angemieteten Schlachthaus sezierte sie das Pferd. Die Halswirbel der Stute waren stark deformiert. Mittlerweile hat sich bei Pferden, viele mit Top-Abstammungen, genetisch die Crème de la Crème der internationalen Sportpferdezucht, im Schlachthaus gezeigt, warum sie nicht laufen, teilweise sich nicht mehr hinlegen wollten oder konnten. Vermeulen sah die Notwendigkeit, Fälle zu dokumentieren und initiierte eine Webseite, www.ecvmallbreeds.com, in der Pferdebesitzer ihre ECVM-Fälle einpflegen können, um so eine Datenbasis zu schaffen. 

„Finden Sie mal ein halsgesundes Springpferd – nahezu unmöglich“, sagt der erfahrene Orthopäde. Seine Forderung: „Wir müssen gesündere Pferde züchten.“ Nachgewiesen sei es zwar noch nicht, dass ECVM erblich sei. Aber „gefühlt“ sei das ganz eindeutig der Fall. 

Gurtzwang, Zungenprobleme, Stolpern – „eine Behandlung der Halswirbelsäule hilft da eigentlich immer!“ Wer den Tierarzt im Brustton der Überzeugung sprechen hört, wird für sich persönlich schnell zu dem Schluss kommen, beim Pferdeverkauf auf ECVM untersuchen zu lassen. Die Hals­wirbelsäule muss dazu zusätzlich in einem anderen Winkel geröntgt werden. 

Welche Genetik?

Aus Tierärzten, die sich der ECVM-Problematik von der züchterischen Seite genähert haben, sprudeln hinter vorgehaltener Hand Namen von Hengsten heraus, die nach ihren Erfahrungen immer wieder Pferde zeugen, deren Halswirbel missgebildet sind. Namen, die ganze Prämienringe auf Körveranstaltungen in einem anderen, fragwürdigen Licht erscheinen lassen würden.

Vermutungen sind das Eine, Fakten das Andere. Die Arbeitsgruppe Pferd mit Dr. Arno Lindner an der Spitze strebt eine Studie an: „Untersuchung zur Vererbbarkeit von congenitalen anatomischen Variationen der caudalen Halswirbelsäule sowie deren Beziehung zu Bewegungsstörungen beim Pferd“. Sieben Tierärztinnen und Tierärzte aus Kliniken und Praxen sollen dabei zunächst mindestens 200 Pferde untersuchen. Dabei werden nicht etwa „verdächtige“ Pferde näher untersucht – klinisch, röntgenologisch und eine Blutentnahme, um Genmaterial zu haben – vielmehr werden die Kandidaten „randomisiert“, also auf dem Zufallsprinzip basierend, ausgesucht. Anfang Mai sollen die Formalien zusammengetragen worden sein. Dann muss die Studie genehmigt werden, bevor untersucht wird. Wenn die Genehmigung vorhanden ist, dann schätzt Dr. Arno Lindner mit einer Studiendauer von mindestens zwei Jahren. Ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll klärt, welche Befunde von allen Tierärztinnen und Tierärzten überhaupt erhoben werden müssen. Ziel ist es, Aussagen zu einer möglichen Vererbbarkeit „congenitaler anatomischer Variationen von C6 bis Th1“ treffen zu können und ob es einen Zusammenhang zwischen klinischen Befunden und Röntgenaufnahmen gibt. Lindner ist der Begriff „congenital“ wichtig: Es geht nicht um erworbene, sondern angeborene Veränderungen. Dies ist die erste prospektive Studie, die schaut, wie die Lage ist. Bislang veröffentlichte Studien waren retro­spektiv, wie beispielsweise die in Kalifornien: In der Rückschau wurden Halswirbel­säulen-Röntgenbilder betrachtet von Pferden, die als Ataktiker (Wobbler) diagnostiziert worden sind. Lindner ist sich sicher: „Mit diesem Studiendesign wird keiner die Ergebnisse unserer Studie angreifen können.“

Das sagen Pferdezüchter

Und die Praktiker? Die Pferdezüchter? Ist denen das Kürzel ECVM geläufig? Wie groß ist das Interesse an genetischen Überprüfungen? Wird ein abnormal verformter Halswirbel im Körprotokoll erwähnt? Ist er ein Grund, den Junghengst nicht zu kören? Um dies beantworten zu können, reicht der derzeitige Wissensstand über ECVM nicht aus, heißt es unisono (Stand der Umfrage: April 2021).

Dr. Wolfgang Schulze-Schleppinghoff, lange Jahre Zuchtleiter der Oldenburger Verbände, ist aber immer ein Kämpfer dafür, genetische Daten mit in die Zuchtplanung einzubeziehen. Eine Gesundheitsdatenbank mit Erbkrankheiten, die in der Zucht-Verbands-Ordnung (ZVO) für einzelne Rassen definiert sind, existiert. Aber das Projekt müsste nach Dr. Schulze-Schleppinghoffs Geschmack deutlich mehr Fahrt aufnehmen. Und vorhandenes Datenmaterial besser nutzen. „Schon an der Erfassung der Grundlagen scheitern wir.“ Nicht nur dokumentieren, sondern forschen, ist sein Credo. „Die Oldenburger Verbände untersuchen ab Geburtsjahrgang 2021 alle Fohlen mittels einer DNA-Analyse. Dabei werden 80.000 sogenannten ,Snips‘ (Einzelnukleotid-Polymorphismus, SNP, engl. Single Nucleotide Polymorphisms) gescannt. Das dient bspw. der Abstammungskontrolle, aber diese Rohdaten könnten auch weitergehend analysiert werden“, so der langjährige Zuchtleiter, der im regen Austausch mit seinen Kollegen aus anderen Zuchtgebieten im Nordwesten steht.

Die International Association of Future Horse Breeding GmbH & Co. KG (IAFH) wurde 2017 in Vechta gegründet. Die Pferdezuchtverbände Holstein, Trakehner, Hannoveraner, Oldenburger und Westfalen kooperieren hier gemeinsam. Mit den Informationen aus den verfügbaren Genanalysen will man neue Erkenntnisse gewinnen.

 So einfach sei es übrigens nicht, sich das Erbgut eines Pferdes vorzunehmen, sagt Dr. Schulze-Schleppinghoff: „Nehmen wir zum Beispiel WFFS (Warmblood Fragile Foal Syndrome). Da sind die Gentests patentiert. Das kann ich nicht so einfach mituntersuchen lassen, das kostet extra.“ ECVM ist dem langjährigen Oldenburger Zuchtlenker schon mal zu Ohren gekommen. Von übertriebener Eile warnt er aber. Generell sei Gesundheit das Thema Nummer eins, gerade auch bei seinem Steckenpferd, der genomischen Selektion. 

In dieselbe Kerbe schlägt auch Westfalens Zuchtleiter Thomas Münch. Von dieser Malformation habe er noch nicht gehört. Er verweist aber ebenfalls auf die IAFH. „Wir müssen wissen, wovon wir sprechen und wie damit umzugehen ist. Dann können wir den Züchtern und Käufern etwas an die Hand geben.“

Den Süddeutschen Verbänden ist das Kürzel ECVM bislang nicht untergekommen, aber DSP-Geschäftsführerin Heike Blessing-Maurer bemerkt ein steigendes Interesse an der Halswirbelsäule. „Röntgenbilder der Halswirbelsäule werden immer häufiger von interessierten Kunden angefragt. Vor einigen Jahren betraf das hauptsächlich den Bereich des Genicks, C1 und C2. Aktuell wird aber auch der untere Bereich der Halswirbelsäule vermehrt nachgefragt.“

Die Trakehner haben bereits zu dem Thema einen Vortrag gehört. Zuchtleiter Lars Gehrmann ist ein starker Befürworter davon, genetische Faktoren bei der Zuchtauslese zu berücksichtigen: „Wir kommen nicht drum herum, uns mit diesen Einflüssen zu beschäftigen. Aber wenn wir sie in die Selektionsentscheidung mit einbeziehen, dann nur wenn wir eine valide Studienlage zu diesem Thema haben. Und dazu brauchen wir Daten, Daten, Daten! Der Trakehner Verband wird auf jeden Fall Forschungen in diese Richtung unterstützen. Genorte zu definieren, erscheint mir enorm wichtig, gerade weil wir es ja in diesem Fall – anders als bei WFFS – mit einer multifaktoriellen Erscheinung zu tun haben. Forschung ist da jetzt angesagt.“

Vom Superbullen zur Katastrophe – Parallelen in der Rinderzucht

Er war ein Superbulle, einer, der in der Pferdezucht als „Stempelhengst“ bezeichnet worden wäre: Der Holstein Friesian Bulle Carlin-M Ivanhoe Bell, geboren in den USA, war in den 1980er-Jahren ein Bulle mit tausenden Nachkommen. Seine Töchter galten als Top-Milchlieferantinnen. Dank der in der Rinderzucht früher als in der Pferdezucht selbstverständlichen künstlichen Besamung kam Carlin-M Ivanhoe Bell weltweit zum Einsatz. Erst später, nachdem es zu vielen Fehlgeburten kurz vorm Geburtstermin gekommen war, nicht lebensfähige Kälber zur Welt kamen oder solche mit deformierten Hälsen und Vorderbeinen, stellte sich heraus: Der Superbulle vererbte gleich zwei Gendefekte. Einer davon äußerte sich in CVM (Complex Vertebral Malformation). Die Rinderzucht hat reagiert und die Genetik der Malforma­tion aus der Holstein Friesian-Zucht innerhalb von zehn Jahren herausgezüchtet.

Nicht nur in Deutschland

Nicht nur die deutsche Warmblutzucht braucht dringend Datenmaterial. Eine Studie aus Spanien hat sich die Halswirbelsäulen von P.R.E-Pferden angeschaut. Angeblich sollen dort 25 Prozent der untersuchten Pferde Deformationen aufgewiesen haben. 

Und Enne, die Stute, die nun seit ein paar Wochen nach speziellem Schema bewegt wird? Besitzerin Mirja Constien ist erstmal positiv. „Ich bin echt erleichtert, denn ich hatte ja immer das Gefühl, dass das Pferd etwas hat und es einen Grund haben muss, dass wir nicht weiter kamen und sie mal gut, mal schlecht war.“ Jetzt macht sie die Übungen, die ihr Dr. Ros gezeigt hat. Muskulärer Aufbau ist das Thema. An der Longe wird die Stute zunehmend stabiler. „Es ist eine 50:50-Chance“, sagt die Besitzerin. „Und selbst wenn sie nicht mehr zu reiten sein wird, bleibt sie auf dem Hof. Ich bin froh nun zu wissen, welche Ursache diese lange Leidens­geschichte von Enne hat. Ich finde, dass Pferdeleute es wissen sollten, dass es ECVM gibt, vielleicht wird dann manch einer anders auf die Unarten und Probleme seines Pferdes reagieren.“

Dieser Artikel erschien in der St.GEORG-Ausgabe 5/2021 und beschäftigte sich neben ECVM auch intensiv mit den Muskelkrankheiten PSSM2. Die ganze Ausgabe können Sie hier versandkostenfrei bestellen.men’s jordan upcoming releases | air jordan 1 mid outlet

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

  1. Christiane Schmid

    Halsbefund, die neue Pferdeseuche
    Dieser Artikel spricht mir aus der Seele, wobei ich glaube, dass der Schaden einer falsch verstandenen Pferdezucht noch viel größer ist, als vermutet.
    Ich habe einige Jahre Hannoveraner und Dt. Reitpony gezüchtet. Komplett unterschiedliche Linien. Alle Pferde haben einen Halsbefund und keines ist reitbar. Neben ECVM habe ich in meinem Bestand Chips an der HWS, nach vorn verbogener 7. Halswirbel (dardurch Quetschung der Nervenbahnen), Überschobene Wirbel und Athrose durch fehlende Nackenbänder. Die letzte Variante scheint mir allerdings mit das schlimmste Problem zu sein, denn durch eine Untersuchung aus den USA wurde festgestellt, dass beim domestizierten Pferd das Nackenband des 6. u. 7. Halswirbels weggezüchtet wurde, also nicht mehr existent ist, hingegegn bei Eseln, Zebras und Przewalski Pferden das Nackenband vollständig vorhanden ist. Das führt zu Instabilität und meist zu Athrose an der HWS mit all den schlimmen Folgen fürs Pferd. Ich konnte bei meinen Pferden feststellen: Verwerfen, Magenschmerzen, Knieprobleme, ewiges Scheuen und Ängstlichkeit, Lahmheiten, Probleme im Kreuzdarmbein, Kopfschlagen, Probleme beim Seitwärts, Rückwärts und Biegen. Ich habe eine 10 jährige Odyssee von Behandlungen hinter mir. Zum Glück habe ich einen TA, der sich speziell mit dieser Problematik beschäftigt. Leider konnte aber auch er keinem meiner Pferde helfen. Das macht mich extrem traurig, aber auch wütend. Dass mit kranken Stuten und Hengsten gezüchtet werden darf, ist ein Unding. Es muss was passieren in der Pferdezucht. So kann es nicht weitergehen.

    • Lästermaul

      Das hört sich nach den typischen Gelaber von einen Petatisten an. Ohne den Reitersport wären die Pferde höchstwahrscheinlich auf der Liste der bedrohten Art gelandet, vielleicht auch ausgestorben. Also das nächste Mal nachdenken bevor man gedankenlos losquatscht.
      Was nicht heißen soll, dass Qualzucht gutgeheissen werden soll

  2. Susanne Hempel

    Pferdezucht und Reitsport verkommen zunehmend zur Tierquälerei. Mir war schon immer klar, daß ein sonst zutrauliches Pferd, das unter dem Sattel Probleme hat, Schmerzen haben muß. Daß den Menschen, die mit diesen geplagten Tieren umgehen, nicht mehr passiert, ist nur der unglaublichen Sanftmütigkeit der großen, starken Tiere zu verdanken. Grauenhaft, wie blind und egoistisch dagegen manche Reiter sind, von der Gewinnsucht der Züchter ganz zu schweigen.

  3. Kristin

    Wirklich ein wahnsinnig spannendes und zugleich so unbekanntes Thema. Oft sieht man ja junge Pferde mit Bewegungen, die so gewaltig und herausragend sind, dass ich mich schon Frage ob das noch gesund ist. Deshalb würde es mich sehr interessieren ob Pferde mit ECVM gerade diese Bewegungsabläufe zeigen. Denn sie sind, meiner Meinung nach, häufig sehr flexibel und die gezeigten Bewegungsabläufe sind eigentlich nicht „normal“ für ein junges Pferd in der Basisarbeit.
    In diesem Zuge stellt sich mir natürlich auch die Frage ob die Art der Reiterei einen Einfluss auf die Ausprägung der Krankheit hat. Oben genannten Besitzerin hat ja auch Übungen für ihr Pferd bekommen, die ihr helfen. Eine korrekte Dressur, die das Pferd im Brustkorb hebt und die Oberlinie dehnt, könnte ja eventuell auch hilfreich sein und diese Probleme eventuell gar nicht erst auftreten lassen. Leider ist die Verbreitete und bejubelte Reitweise hauptsächlich durch hinter die Senkrechte gerittene Pferde unter enormer Spannung geprägt. Das es dabei noch viel schneller zu anormalem Verschleiß kommt, ist ja fast logisch.
    Ich bin sehr gespannt was die Studien für Ergebnisse zeigen und hoffe das in späteren Studien auch die Art der Nutzung der Pferde mit einbezogen wird. Sicherlich haben die Züchter zunächst einmal eine große Veränderungen, aber die Reiter und bewertenden Richter sollten bei keiner krankhaften Veränderung des Reitpferdes außer acht gelassen werden.


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