CHIO Aachen: Isabell Werth und Bella Rose an der Spitze des Nationenpreis

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Isabell Werth und Bella Rose, CDIO5*-Grand Prix, Aachen 2019, Nationenpreis (© von Korff)

Mit 82,783 Prozent hat Isabell Werth mit Bella Rose heute den CDI5*-Grand Prix beim CHIO Aachen gewonnen. Drei deutsche Reiterinnen landeten auf den ersten vier Plätzen, damit führt Deutschland im Nationenpreis. Dorothee Schneider wurde Zweite vor Charlotte Dujardin und Jessica von Bredow-Werndl.

„Close to perfection“, nah an der Perfektion sei ihr Ritt im Nationenpreis in Aachen gewesen, sagte Isabell Werth nach ihrem Grand Prix-Ritt. Für die Piaffen und Passagen ist das sicherlich wahr. Das Paar erzielte auf der letzten Linie für die Übergänge Passage-Piaffe-Passage eine glatte 10,0 von allen Richtern! Die Piaffe zuvor war mit einer 9,9 im Durchschnitt beurteilt worden. Einmal mehr musste Isabell etwas schlucken bei ihrem Fazit – der Bella-Effekt, große Emotionen. Als das Open Scoring, die Anzeigetafel, die die Richterbeurteilungen den Zuschauern für jede Lektion verraten, diese 10 zeigte, ging ein Raunen durchs Publikum. Das setzte sich dann nahtlos in einem großen Jubel fort. Generös waren die Richter beim ersten starken Trab der Weltmeisterin. Der war eilig, wenn, dann trat Bella Rose gerade mal in die Hufspur des Vorderhufs hinein. Die 7,3, die es dafür gab ist wohl nur so zu erklären, dass auch noch die kurze Seite versammelter Trab mit in der Note zu berücksichtigen ist.

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Isabell Werth und Bella Rose, CDIO5*-Grand Prix, Aachen 2019, Nationenpreis (© von Korff)

Aber dann: Trabtraversalen ,sehr gut in Stellung, Biegung und mit weitem Übergreifen, perfekt in Takt und Kadenz (9,1). Die Piaffen wurden jeweils mit 9,3 bewertet. Im starken Schritt hatte die noch 49-jährige Weltranglistenerste an ihrem Frack einen Knopf geschlossen (7,3). Die Einerwechsel misslangen (4,2), in den Galopppirouetten wünscht man sich mehr Hankenbeugung. Mit einer 6,8 wurde der letzte starke Trab bewertet.82,783 Prozent, 24 mal die Idealnote 10,0 im Protokoll – in Sachen Geburtstagsvorfreude, Isabell Werth wird am Sonntag 50 Jahre alt, hat Bella schon mal geliefert!

Showtime: Vier Zehnen für die Passagen

In seiner Paradelektion, der Passage, bekam Showtime insgesamt vier Zehnen. Und, das dürfte Dorothee Schneider besonders freuen, auch in einer Galopppirouette gab es einmal die Idealnote. Mit seiner Vorstellung konnte das aktuelle deutsche Meisterpaar an seine Vorstellungen von Balve anknüpfen. Dynamisch und kraftvoll im Abdruck und, wie Bundestrainerin Monica Theodorescu befand, „hochkonzentriert mit nur einem kleinen Fehler in den Einerwechseln.“ Da sprang der Sandro Hit-Sohn nach gut der Hälfte der 15 Einerwechsel einmal kurz. Das war der teuerste Fehler in der Prüfung.

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Dorothee Schneider und Showtime, CDIO5*-Grand Prix, Aachen 2019, Nationenpreis (© von Korff)

Dorothee Schneider war mehr als zufrieden. „Er hat mir super zugehört, war im Stadion deutlich ruhiger als letztes Jahr.“ Zu Beginn der Prüfung hatte es eine Störung gegeben. Ausgerechnet in dem Moment, in dem das Paar in der Linkstraversale – mit Faktor zwei im Wertungsbogen im Grand Prix – auf H zusteuerte, fiel eine Flasche auf der Tribüne um. Showtime zuckte kurz zusammen, war aber schon bald wieder bei seiner Reiterin. Im starken Schritt dehnte er sich schnell an die Hand heran (8,0). Es gab nicht viele Pferde in der Prüfung, die wirklich zum Schreiten kamen. Aber viele, die trotzdem Noten jenseits von „ziemlich gut“, sprich 7,0 erhielten. International scheint ein „ziemlich guter Schritt“ daran zu erkennen zu sein, dass die Pferde im leidlichen Viertakt auf der Linie gen H gehen. Schreiten, Raumgewinn, durch den Körper an die Hand heranziehen bei gleichmäßiger Anlehnung – alles irgendwie überbewertet.

Die Zickzack-Traversale gelang flüssig (8,0), die letzte Piaffe war die mit Abstand beste. Sie gelang lebhafter als die beiden vorhergehenden, die Übergänge wurden mit bis zu 9,0 beurteilt. Die zweite 80-plus-X-Prozent-Runde an diesem Tag, Platz zwei, 80,609 Prozent.

Zum Abschied ein Podiumsplatz in Aachen: Erlentanz und Charlotte Dujardin (GB)

Der Trakehner Erlentanz ist ein Werbeträger für seine Rasse. Alles, was man den Ostpreußen an positiven Attributen zuschreibt, findet man in ihm wieder. Er ist leichtfüßig und vor allem wahnsinnig hübsch! Charlotte Dujardin hat den Latimer-Sohn nur zweitweise geritten. Sein Reiter, der sich schon einmal vor zehn Jahren bei einem schweren Autounfall beide Beine gebrochen hatte, war vom Pferd gestürzt. Wieder waren die Beine gebrochen. Charlotte übernahm die Zügel und startete durch. Nun sind die Beine wieder heile und Sonnar Murray Brown kann seinen Traki wieder selbst reiten. In Aachen sitzt Charlotte das letzte Mal auf „Erly“.

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Charlotte Dujardin und Erlentanz, der für kurze Momente die Balance und Selbsthaltung in der Piaffe verlor, sonst aber eine tolle Prüfung hinlegte im CDIO5*-Grand Prix, Aachen 2019, Nationenpreis (© von Korff)

Der starke Trab war ausdrucksstark, in der Passage war der Wallach hinten etwas langsam. In den Piaffen fand er nie zu einem gleichmäßigen Rhythmus (erste Piaffe: 7,6). Punkten konnte das Paar mit dem tollen starken Schritt, im versammelten dafür weniger (6,3). Bei der zweiten Piaffe wurde Erlentanz zum Verhängnis, dass er sehr exaltiert im Vorderbein beim Herausreiten aus der Piaffe agiert. Da er hinten nicht immer entsprechend schnell abfußte, führte das zu kleinen Koordinationsproblemen. Sehr gute Zweierwechsel (8,4) und leicht schwankende fliegende Galoppwechsel von Sprung zu Sprung plus zentrierte Pirouetten zählten zu den Pluspunkten im Galopp.

Carl Hester, der Trainer von Charlotte Dujardin, brachte es so auf den Punkt: „Charlotte ist eine gnadenlose Prüfungsreiterin. In den vergangenen Jahren stand sie mit Valegro immer unter großem Erwartungsdruck, jetzt kann sie ganz locker und entspannt reiten und nur genießen. Erlentanz ist ein tolles Pferd und es ist das Gute an Charlotte, dass sie mit jedem Pferd umgehen kann. Mit Freestyle wird sie im nächsten Jahr eine große Herausforderung für die anderen Reiter bei Olympia sein.“ In Aachen gab es 79,152 Prozent, Platz drei.

Jessi und Dalera: Gänsehaut-Piaffen, wenig Punkte

Zu den Standard-Floskeln in der Dressurberichterstattung zählt das „Jammern auf höchstem Niveau“. Im Falle von Jessica von Bredow-Werndl ist es aber an diesem Tag in Aachen angesagt. Denn Dalera, noch ein Ostpreußisches Warmblutpferd Trakehner Abstammung im Aachener Dressurviereck, wurde nicht zu generös bedacht. Dalera begann mit geschmeidigen Traversalen und setzte dann zur ersten von drei vorbildlichen Piaffen an. Mit dem ersten Tritt senkte sich die großrahmige Stute in der Kruppe ab, sie trat diagonal und gleichmäßig, mit schwingendem Rücken, das Genick oben, das Vorderbein ausdrucksstark – dabei immer in Korrespondenz zur Aktivität des Hinterbeins. So soll das eigentlich aussehen, sollte man meinen. Dass die Stute gelegentlich mit dem Schweif schlägt, aber dies nie peitschend oder gar mit unzufriedenem Gesichtsausdruck, mag als Entschuldigung herangezogen werden. Aber 8,1 sind für Piaffen dieser Qualität, die so viele Forderungen der klassischen Reiterei erfüllen, einfach zu wenig. Der starke Schritt gelang gut, der versammelte ist eine Schwäche der Stute (6,4). Punkten konnte die Mannschaftsweltmeisterin in den Galopppirouetten, in der Zickzack-Traversale war einer der fliegenden Galoppwechsel nicht sauber. Zum Abschluss der Prüfung gab es für die Übergänge Passage-Piaffe-Passage eine 8,6 – so viel musste es aber auch wenigstens sein. 79,0 Prozent, 3,5 Punkte weniger als Charlotte Dujardin.

Monica Theodorescus Bundestrainer-Lob war knapp, aber voller Hochachtung: „Tolles Bild, toller Ritt, super Anlehnung!“

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Dänen-Doppel

Nicht Cassidy, sondern Bohemian hatte die Dänin Cathrine Dufour für den Nationenpreis gesattelt. Der Bordeaux-Sohn hat (noch) nicht die Präsenz eines Cassidys. Das mag noch kommen, erst ist ja erst neun Jahre jung. In einigen Piaffen und Passagen deutete er schon an, was er mit mehr Kraft einmal wird zeigen können. Der Galopp des aus einer Samarant-Mutter gezogenen Westfalen ist in der Grundanlage wenig großzügig, dafür aber praktisch. Das schlug sich u.a. in guten Zweierwechseln (7,5) nieder. In der Zickzack-Traversale kam der Dunkelfuchs deutlich hinter die Senkrechte mit der Stirn-Nasen-Linie, auch dies eine Frage von Kraft, aus der Balance erwachsen kann (7,0). Ein Highlight waren sichere, schnurgerade gesprungene Einerwechsel (8,3). Und, auch da kommt der praktische Galopp der Reiterin entgegen: Pirouetten, auf dem Teller gesprungen. Teller? Nein! Untertasse, noch besser: auf dem Untertässchen eines Mokkaservice (8,3). In den Piaffen wich der Fuchs mit seinem aktiv abfußenden Hinterbein manchmal seitlich aus. Der Fuchs wird in den kommenden Jahren sicherlich noch Fortschritte machen. Neunjährig mit 78,413 Prozent das Deutsche Bank Dressurstadion in Aachen zu verlassen ist ja weitaus mehr als nur eine Duftmarke.

Teamkollege Daniel Bachmann Andersen hatte ebenfalls einen Fuchs mit in die Soers gebracht, den gekörten Don Olymbrio. Ihn trennten 1,5 Punkte vom fünften Platz, 78,348. Punkte, die der Stalljockey des Gestüts Blue Hors auf der letzten Linie verlor. Denn nach einem gleichmäßigen Ritt schien zum Ende hin das Benzin auszugehen. Die abschließende Piaffe war zäh, also ob Kaugummi statt Sand bei X im Viereck läge. Fast konnte man schon eine Rückwärtstendenz erkennen (7,1). In den anderen Piaffen war Don Olymbrio deutlich lebhafter ans Werk gegangen (7,7 und 8,3). Die amerikanische Richterin Janet Lee Foy war äußerst angetan von dem blonden Bilderbuch-Skandinavier. Mit mehr als 81 Prozent hatte sie ihn im Ranking an zweiter Stelle.

Die Schwedin Therese Nilshagen und der Oldenburger Hengst Dante Weltino punktete im ersten Drittel der Prüfung mit einer Linkstraversale, die lehrbuchreif war in allen Kriterien. Die Übergänge Passage-Piaffe hat man bei dem Paar schon besser gesehen. Die Piaffe trat der Hengst auf sehr kleinem Raum, im starken Schritt verlor er Punkte (6,3). Die zweite Piaffe legte die Ausbilderin aus dem Dressurpferdeleistungszentrum Lodbergen über mehr Raum an. Jetzt gelangen die Übergänge besser. Mit schön zentrierten Galopppirouetten (8,2) konnte die Schwedin ihr Konto weiter aufstocken. 76,957 Prozent, Platz sieben.

Zweimal US in der Top 10

Adrienne Lyle und der Hannoveraner Salvino zählten zum US-WM-Team in Tryon. An die Klasse, die der Sandro Hit-Sohn dort gezeigt hatte, kam er heute nicht ganz heran. Piaffe und Passage waren häufig unregelmäßig im Hinterbein vor allem links kürzer (7,6). Im Galopp fehlte etwas die Energie, da erwischte man sich dabei, innerlich etwas zu schnalzen. 76,870 Prozent bedeuteten Platz acht, vor Steffen Peters (75,848). Der US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln hatte den einst von Helen Langehanenberg übernommenen Suppenkasper mehr auf seiner Seite als in Tryon, wo das Paar das deutliche Streichergebnis der Mannschaft geliefert hatten. Steffen Peters erhält regelmäßig in den USA Höchstnoten. Auf europäischem Boden gelingt ihm dies nicht. Das war auch diesmal so. Das Rückwärtsrichten mit leichter Störung, die Piaffen mit Fleiß (7,3), der Schritt O.K. Punkten konnte das Paar im starken Trab und den Galopppirouetten, auch wenn hier bei der zweiten das Genick von Sprung zu Sprung tiefer und tiefer kam.

Damsey hatte keine Lust

Im vergangenen Jahr hatte Damsey in Aachen alle überrascht. Das gelang dem 17-jährigen Hengst auch heute. Leider aber nicht so positiv wie 2018. „Damsey hatte keine Arbeitseinstellung“, sagte Bundestrainerin Monica Theodorescu. Hintergrund: In den Piaffen konnte Helen Langehanenberg machen, was sie wollte, die Füße des Hannoveraners zum diagonalen, fleißigen Abfußen zu bewegen, gelang ihr nicht. „Beim Training morgens um sieben war er noch super drauf, da war noch alles gut. Am Abreiteplatz hat Helen schon gesagt, er ist ein klein wenig stark“, so die Bundestrainerin. „Er hat sie verhungern lassen, das ist ein total blödes Gefühl oben.“ Mit 71,239 Prozent wurde das Paar 18.

Gesprochen wurde über die U25-Europameisterin Charlotte Fry aus Großbritannien. Ihr Dark Legend ist nicht die Nummer eins im Stall. Der KWPN-Wallach ging häufig mit hoher Kruppe. Anatomisch ist es ihm nicht in die Wiege gelegt worden, die Sprunggelenke in Richtung seiner Körpermitte zu bewegen. Die zierliche Reiterin verstand es aber geschickt, über die Schwächen hinwegzureiten, Platz elf, 74,435 Prozent.

Die ehemalige Weltranglistenerste Adelinde Cornelissen aus den Niederlanden war auch mal wieder in Aachen am Start. Ihr mittelrahmiger Wallach Zephyr v. Jazz, auch erst zehn Jahre alt, ging weniger Passage als vielmehr „langsamen Trab“. In den Piaffen mangelte es durchgängig Diagonalität in der Fußfolge. Der Schritt des Jazz-Sohns ist knapp. Insgesamt müsste das Pferd hinten aktiver ab- und vor allem durchfußen und über den dann schwingenden Rücken zum Tragen kommen. 73,565 Prozent reichten immerhin noch für Platz 13 von 31 Startern.

Entscheidung im Nationenpreis fällt im Grand Prix Special

Am Samstagvormittag gehen die Pferde der CDIO5*-Tour im Grand Prix Special an den Start. Erst danach steht fest, die Hymne welches Landes in der Aachener Soers gespielt werden wird. In der Zwischenwertung liegen die Deutschen klar vorne: 242,392 Punkte steht für das deutsche Damenquartett zu Buche. Auf den Plätzen folgen die Teams aus Dänemark (228,174) und den USA (225,392).

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).