EM Strzegom: Ernüchterung nach dem Gelände

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In Strzegom 2017 wurden Ingrid Klimke und Hale Bob zum ersten Mal Europameister. (© Pauline v. Hardenberg)

Die EM der Vielseitigkeit begann märchenhaft, Weltrekord-Führung des deutschen Teams nach der Dressur. Im Gelände wurden die Karten heute nochmal neu gemischt, die Deutschen haben ihre Führung abgegeben, vorerst. Denn abgerechnet wird im morgigen Springen.

Die Bilanz nach dem Geländetag in Strzegom (POL) liest sich gemischt: Die Deutschen haben ihre Weltrekord-Führung an die Briten abgeben müssen, die nun mit insgesamt 113,90 Punkten mehr als zwei Springfehler vor den Titelverteidigern liegen (123,00). Dicht auf den Fersen sind ihnen die Schweden mit 128,50 Punkten. Insofern hat sich der Wunsch von Parcourschef Rüdiger Schwarz erfüllt: Es gibt einen spannenden Mannschaftswettkampf und die Dressur wird am Ende nicht über die Medaillen entscheiden, jedenfalls nicht nur.

Pauline v. Hardenberg

Da konnte sie sich das Grinsen nicht verkneifen. Keine Springfehler und in der Zeit, bedeutete die Führung für Ingrid Klimke mit Hale Bob. (© Pauline v. Hardenberg)

Erfreulich ist die Zwischenbilanz in der Einzelwertung: Ingrid Klimke auf Hale Bob geht mit 30,30 Minuspunkten in Führung, gefolgt von Michael Jung auf Rocana (32,80). Beide konnten ihr Dressurergebnis halten, es gelang insgesamt nur vier Reitern innerhalb der erlaubten Zeit von zehn Minuten zu bleiben. Auf dem Bronzerang liegt zur Zeit die Schwedin Sara Algotsson Ostholt mit Reality (35,00).

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Es deutete sich an, dass „little Sam“ den Weg neben dem Hindernis bevorzugt… (© Pauline v. Hardenberg)

Für die erste Mannschaftsreiterin, Julia Krajewski auf Samourai du Thot, verlief der Cross nicht wie erhofft. Von Anfang an war zu sehen, dass der französische Wallach häufig vor allem in den Wendungen rutschte. Durch nächtliche Regengüsse war der Boden an der Oberfläche aufgeweicht, darunter hart. Spätere Reiter konnten mit längeren Stollen gegensteuern, dafür war es für Julia Krajewski zu spät. An Sprung 8B gab es eine Verweigerung, an einem schmalen Sprung, also eher ein Vorbeiläufer. Krajewski wendete sofort auf die Alternative und verlor am Ende nur wenig Zeit, sodass es bei 3,60 Zeitfehlern blieb, mit 59,90 Punkten auf Zwischenrang 21. Zu dem Zeitpunkt konnte man noch hoffen, dass dies das Streichergebnis sein würde.

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… und er zog es konsequent durch (© Pauline v. Hardenberg)

Doch schlimmer noch kam es für Dressursiegerin Bettina Hoy, als zweite Mannschaftsreiterin am Start. Sie schied nach einem Sturz an Sprung zehn aus. Der elfjährige Seigneur Medicott zog von Anfang an nicht richtig durch. Schon am zweiten Hindernis musste er mit der Peitsche aufgemuntert werden. An Hindernis 4, der ersten Klippe des Kurses, kam es zu einem „Vorbeiläufer“ an C, der sich bereits an A abgezeichnet hatte. Immer wieder versuchte Bettina Hoy, ihr Pferd aufzumuntern, ohne sichtbaren Erfolg. Zu Beginn der Strecke hatte er ein Vordereisen verloren, das zweite an Hindernis acht. An Sprung zehn, einem bergab anzureitenden überbauten Graben, stürzte Seigneur Medicott – aus der Traum vom zweiten Titel nach 20 Jahren. „Es hat nicht sollen sein“, sagte eine sehr enttäuschte Bettina Hoy. „Mein Pferd war durch das verlorene Eisen sehr verunsichert, er mochte gar nicht mehr zuspringen, weil er normalerweise ein sehr vorsichtiges Pferd ist.“

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Immerhin sind Bettina Hoy und ihr „Micky“ scheinbar mit einem Schrecken davon gekommen. (© Pauline v. Hardenberg)

Rettung konnte jetzt nur noch von Ingrid Klimke und Michael Jung kommen, beide auch mit großen Chancen auf den Einzelsieg. Sie mussten einerseits ans Team denken, andererseits ihren Einzelplatz im Auge behalten. Das gelang beiden vorzüglich. Hale Bob zog seine Runden unerschütterlich, immer auf dem kürzesten Weg, bis auf Sprung acht, einem extrem schmalen Bergauf-Buschoxer, wo Bundestrainer Hans Melzer die kaum längere Alternative  empfohlen hatte. „No medals for heroes““, hatte er zu Ingrid gesagt, sinngemäß: keine Experimente. Trotzdem galoppierte der 13-jährige Helikon-Sohn mühelos in die Zeit, es blieb bei den 30,30 Dressur-Miesen.

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Rocana hat alles gegeben und für Michael Jung gekämpft, Rang zwei nach dem Gelände. (© Pauline v. Hardenberg)

Wie ein Lehrfilm sah es mal wieder beim Titelverteidiger Michael Jung auf Rocana aus. Konzentriert arbeitete er die Strecke ab, gab einmal eine deutliche Peitschenhilfe nach einem etwas zögerlich genommen Graben. „Das ist heute kein Kindergarten hier“, habe er seiner Stute damit sagen wollen. Die nächsten drei Gräben überflog sie souverän. An ausnahmslos allen Sprüngen wählte er den direkten Weg. In der schnellsten Zeit des Tages, in 9:45 Minuten erreichte Jung das Ziel. Er habe gemerkt, dass er vor der Zeit war, aber er habe die Stute nicht aus dem Rhythmus nehmen wollen. Das sind Sorgen!

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Neunter in der Einzelwertung ist vorübergehend Einzelreiter Kai Rüder mit Colani Sunrise. (© Pauline v. Hardenberg)

Zwei hervorragende hindernisfehlerfreie Runden lieferten die beiden Einzelreiter ab. Kai Rüder liegt nach einer sicheren souveränen Runde von Colani Sunrise mit 40,3 Punkten auf Rang zehn, Championtsdebütantin Josefa Sommer mit Hamilton auf Platz 14 (47,80).

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Nicola Wilson beendete den Geländetag mit Rang vier auf ihrer Stute Bulana. (© Pauline v. Hardenberg)

Während die Briten im ersten Jahr, in dem sie vom früheren deutschen Honorartrainer Chris Bartle betreut werden, ihren ersten Titelgewinn seit 2010 vor Augen haben, fielen die Olympiasieger aus Frankreich mit zwei Ausfällen (die mit jeweils 1000 Punkten geahndet werden) auf den letzten Platz zurück. Der als Favorit gehandelte Schimmelhengst Upsilon von Thomas Carlile schied nach Verweigerungen aus.

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Hier sah noch alles gut aus für den Polen Michal Knap mit Bob the Builder. Nach einem Sturz an einem späteren Hindernis musste der Wallach in der Tierklinik erlöst werden. (© Pauline v. Hardenberg)

Pech hatten die Polen. Zwar konnte sich das von Andreas Dibowski trainierte Team auf einem achtbaren sechsten Platz im Mittelfeld etablieren, doch verunglückte das Pferd Bob the Builder von Michael Knap an Sprung 16 auf dem Turnierplatz so schwer, dass es sich einen  komplizierten Bruch am rechten Vorderbein zuzog und später eingeschläfert werden musste.

Die Prüfung erwies sich am Ende als schwer und ging nicht ohne Zwischenfälle ab. Insgesamt waren acht Stürze zu vermelden, fünfmal ging das Pferd zu Boden. „Ich hätte gedacht, dass der eine oder andere Reiter sich vorher einen anderen Weg gesucht hätte“, sagte Rüdiger Schwarz. Die Reiter auf den Medaillenplätzen liegen weniger als einen Springfehler voneinander getrennt – es wird also im Springen morgen sehr spannend.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.